Gemeinsamer Jubilar
Bayerisch-böhmisches Ausstellungsprojekt zeichnet vielschichtiges Porträt von Karl IV.
18. 5. 2016 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Fotos: Národní galerie v Praze
Vor 38 Jahren, Ende November 1978, gedachte die Tschechoslowakei – damals ein gutes Jahr nach der Charta 77 von bleierner Normalisierung bedrückt – des großen Trägers „der Krone der böhmischen Länder“ aus Anlass seines 600. Todestages mit der Ausstellung einer nie dagewesenen Fülle von Zeugnissen aus dem Spätmittelalter. Und die deutschen mit Kaiser Karl IV. besonders verbundenen Städte Nürnberg und Köln hielten mit ihren Ausstellungen sozusagen dagegen. Hüben wie drüben wurde der Geehrte zu einem Objekt der Inanspruchnahme im ideologischen Gefecht. War Karl IV. ein Tscheche? War er ein Deutscher?
Das diesjährige runde Jubiläum Karls wird entspannter begangen. Nicht nur, weil man einen Geburtstag ausgelassener feiern darf als einen Todestag. Wichtiger ist, dass der unnütze Streit überwunden scheint und die Kategorien unserer Zeit nicht mehr unbesehen dem Mittelalter übergestülpt werden. Deutsche wie tschechische Historiker sind sich weitgehend einig darin, dass es keinen Sinn hat, den Jubilar in diese oder jene nationale Zwangsjacke zu stecken. Diese Annäherung in der Einschätzung der Gestalt Karls IV. hat es ermöglicht, anlässlich seines 700. Geburtstags erstmals eine gemeinsame große Ausstellung zu schaffen. Am vergangenen Sonntag wurde sie in der Wallenstein-Reithalle für die Besucher eröffnet. Vier Jahre dauerten die Vorbereitungen, an denen die Nationalgalerie in Prag, das Haus der Bayerischen Geschichte und die Universität Leipzig mitwirkten. Davon waren die drei letzten Jahre intensivste Arbeit, die man, wie der Direktor der Nationalgalerie Jiří Fajt betonte, „auch als eine Art Forschungsprogramm“ betrachten könne.
Laut Fajt soll die Ausstellung Karl IV. „frei von allen entstellenden ideologischen Überlagerungen zeigen und der breiten Öffentlichkeit ein plastisches Bild dieser höchst markanten historischen Persönlichkeit mit ihren Licht- und Schattenseiten vorführen“. In einem der Räume wird daher auch die bis heute kontrovers diskutierte Mitverantwortung Karls für verschiedene Pogrome an den Juden Mitte des 14. Jahrhunderts thematisiert.
Von den insgesamt 250 Exponaten, ganz überwiegend Originale, sind 120 Leihgaben, die meisten davon aus dem Ausland: Statuen, Bilder, Bücher, Glasmalereien, Dokumente, Modelle von Karls Bauten, darunter vier Burgen und die Karlsbrücke, zahlreiche kunstgewerbliche Gebrauchsgegenstände, unter anderem aus den Werkstätten der venezianischen Goldschmiedekunst. Der Besucher erhält so einen umfassenden Eindruck vom Leben am Kaiserhof und von der Rolle, die Karl IV. im Rahmen seiner Reichspolitik der künstlerischen Gestaltung zur Erhebung seiner kaiserlichen Majestät zuwies. Herausragende Ausstellungsstücke sind die römische Krone Karls, ein Exemplar der Goldenen Bulle von 1356 oder die Fragmente des prächtigen Genueser Grabmals der Königin Margarete, der Großmutter Karls, 1313 bis 1314 von Giovanni Pisano aus Marmor geschaffen. Doch die vielen anderen Exponate stehen diesen Stücken in nichts nach.
In Prag wird der Hauptteil der Ausstellung, „Kaiser Karl IV. und seine Epoche“, in der Wallenstein-Reithalle bis Ende September und ein kleinerer Teil der Ausstellung, nämlich „Das zweite Leben Karls IV.“, im Karolinum der Karls-Universität bis 31. August geöffnet sein. Danach wandert sie nach Nürnberg, wo sie von 23. Oktober bis 5. März 2017 im Germanischen Nationalmuseum zu sehen ist. Wie bei dem Thema der Ausstellung nicht anders zu erwarten, sind alle Erläuterungen, in Prag eine bemerkenswerte Ausnahme, auf Tschechisch, Deutsch und Englisch zu lesen.
Kaiser Karl IV. 1316–2016, bis 25. September, Valdštejnská jízdárna (an der U-Bahn-Station Malostranská), geöffnet: täglich 9 bis 18 Uhr (Juli/August 10–19 Uhr, September 9–19 Uhr), Eintritt: 280 CZK (ermäßigt 190 CZK), www.ngprague.cz
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