Geschäft für die Gesellschaft
Die erste Nationale Lebensmittelsammlung war ein Erfolg. Doch die Missstände bleiben
20. 11. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: APZ
„Ich bin begeistert, wie groß die Solidarität der Menschen ist. Anders ist dieser unglaubliche Erfolg nicht zu erklären.“ Das Ergebnis, für das Pavlína Kalousová von der Initiative „Byznys pro společnost“ (auf Deutsch etwa „Business für die Gesellschaft“) wochenlang gearbeitet hat, wiegt schwer. 66 Tonnen Lebensmittel kamen bei der erstmals in Tschechien ausgetragenen Nationalen Lebensmittelsammlung zusammen. Am vergangenen Samstag wurden die Bürger in landesweit 111 Einkaufszentren um Spenden für Asylbewerber-, Senioren- und Kinderheime sowie bedürftige Familien gebeten. Am Ende kamen dadurch 55,5 Tonnen Lebensmittel zusammen, weitere 10,5 Tonnen stellten Unternehmen zur Verfügung. Laut Kalousová, die am Wochenende von etwa tausend Freiwilligen unterstützt wurde, entspricht die gesammelte Menge mehr als 132.000 Gerichten. Die Lebensmittel sollen den hilfsbedürftigen Menschen in der jeweiligen Region zugute kommen.
Die meisten Lebensmittel wurden in der Hauptstadt Prag und im Mährisch-Schlesischen Kreis gespendet. Am spendabelsten zeigten sich die Kunden der Supermarktkette Tesco im Prager Stadtteil Smíchov. Allein dort sammelten die Helfer 1,7 Tonnen Lebensmittel. Die Organisatoren, „Byznys pro společnost“ und die Tschechische Vereinigung der Lebensmittelbanken wollen die Sammelaktion in unbestimmter Zeit wiederholen.
Spenden? Zu teuer!
Während zahlreiche Unternehmen seit längerem für soziale Einrichtungen – meist über einen längeren Zeitraum – Lebensmittel spenden, bot die Nationale Lebensmittelsammlung zum ersten Mal auch einer breiten Öffentlichkeit diese Möglichkeit. Die Zahl der Menschen, die auf solche Wohltaten angewiesen sind, ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Laut offiziellen Schätzungen ist in Tschechien jeder zehnte Einwohner von Armut bedroht – vor allem Rentner, alleinerziehende Mütter, Arbeitslose und kinderreiche Familien. Wie der Vorsitzende der Vereinigung tschechischer Lebensmittelbanken Fabrice Martin Plichta erklärt, habe die Spendenbereitschaft seit dem Jahr 2010 immer mehr nachgelassen. Die Lebensmittelbanken in Prag, Ostrava, Ústí nad Labem, Liberec und Pilsen bekamen im vorigen Jahr nur noch knapp 200 Tonnen Lebensmittel zur Verfügung gestellt, die sie an Bedürftige verteilen konnten. Etwa die Hälfte dieser Lebensmittel, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet und ansonsten vernichtet würden, stammt direkt von den Herstellern. Ein Drittel wird von den Handelsketten angeliefert.
Die Veranstalter der ersten Nationalen Lebensmittelsammlung machten darauf aufmerksam, dass die tschechische Gesetzgebung den Lebensmittel-Spenden einen Riegel vorschiebe. Anders als in vielen EU-Staaten müssen die Unternehmen in Tschechien auch für gespendete Lebensmittel die Mehrwertsteuer abführen und zudem für jede Spende einen Schenkungsvertrag aufsetzen lassen. Dadurch, so die Kritik der Lebensmittelbanken, sehen viele Unternehmen von wohltätigen Aktionen dieser Art lieber ab. Denn die Vernichtung von Produkten, deren Verfallsdatum überschritten ist, kostet weitaus weniger.
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