Geschichten aus dem Zauberhut

Geschichten aus dem Zauberhut

Vor 70 Jahren entstand das Filmstudio Bratři v triku. Seine Trickfiguren sind weltberühmt

1. 12. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Galerie Rumcajsův svět Jičín

Ein gutmütiger Räuber, ein kecker Maulwurf und ein riesengroßer tollpatschiger Hund – das sind die Helden, mit denen Generationen aufwuchsen. Fast jedes Kind in Tschechien kennt die Abenteuer von Fürchtenix, vom kleinen Maulwurf und Maxipes Fík. Gemeinsam mit vielen anderen zauberhaften Geschöpfen flimmerten sie abends über den Bildschirm, bevor der Večerníček, das tschechische Sandmännchen, den Kindern eine gute Nacht wünschte. Zum Leben erweckt wurden sie im Studio Bratři v triku, das vor 70 Jahren in Prag gegründet wurde. Bis heute entstanden dort mehr als 2.000 Trickfilme und -serien, die tschechische Cartoons auch über die Landesgrenzen hinweg berühmt machten.

Dem größten und ältesten Animationsfilmstudio Tschechiens widmet sich derzeit eine Ausstellung im Strahov-Kloster. Wie die Autorin der Schau Jana Sommerová sagt, sei die Märchenschmiede allmählich in Vergessenheit geraten. „Bratři v triku gehört zu unserem kulturellen Erbe, es ist zu Unrecht vernachlässigt worden“, so Sommerová. Mit Originaldrehbüchern, Modellen, Plakaten und Fotografien will sie einen Einblick in die Welt der Animation geben und an die Geschichte des Studios erinnern.

Wie alles begann
Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten der Pilsener Kinderbuchillustrator und Bühnenbildner Jiří Trnka und die Künstler Hermína Týrlová und Karel Zeman ein Animationsfilmstudio. Týrlová hatte bereits drei Jahre zuvor mit „Ferdinand, die Ameise“ den ersten tschechoslowakischen abendfüllenden Puppentrickfilm gedreht. Ihr Studio nannten sie „Bratři v triku“ – ein Wortspiel, das sowohl „die Brüder im T-Shirt“ als auch „die Brüder im Trick“ bedeutet. Das Logo entwarf Zdeněk Miler, der spätere Vater des kleinen Maulwurfs. Anders als Walt Disney zum Beispiel legten sich die jungen Filmemacher nicht auf einen Stil oder ein Genre fest – ihnen war jeder kreative Kopf willkommen.

Der erste Streifen erschien noch im Gründungsjahr 1945: Mit „Zasadil dědek řepu“ („Opa pflanzte Rote Bete“) legte Trnka den Grundstein für den tschechischen Animationsfilm. Liebevoll gezeichnet, entwickelte sich der nur knapp zehnminütige Streifen über einen alten Mann, dessen selbst angebautes Gemüse im Erdboden feststeckt, zu einem Klassiker. Es folgten Trnkas Kurzfilme „Dárek“ („Das Geschenk“) und „Pérák a SS“ („Pérák und die SS“), bis der Künstler 1947 aus der Firma ausstieg, um ein eigenes Studio mit dem Schwerpunkt Puppentrickfilm zu betreiben.

Sternstunden des Trickfilms
In den fünfziger Jahren kam der gelernte Werbegrafiker František Vystrčil zum Studio Bratři v triku, wo er unter anderem Milers Serie um den kleinen Maulwurf animierte. Einen Meilenstein setzte Vystrčil mit seinem Zeichentrickfilm „O místo na slunci“ („Über einen Platz an der Sonne“), in dem sich zwei Strichmännchen um einen kleinen sonnigen Fleck am Meer streiten. Für den fünfminütigen Streifen erhielt Vystrčil 1961 eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“. Den renommierten Preis konnte Vystrčil zwar nicht mit nach Hause nehmen, doch blieb die Auszeichnung im Unternehmen: Sie ging an den seit 1959 bei Bratři v triku tätigen US-amerikanischen Illustrator Gene Deitch für seinen Film „Munro“ über einen vierjährigen Jungen, der versehentlich zur Armee eingezogen wurde. Unter Deitch wurden in den Sechzigern auch zahlreiche Cartoons des skurrilen Katz-und-Maus-Spiels von „Tom und Jerry“ in Prag produziert.

Eine weitere Sternstunde erlebte das Studio mit dem Film „Stvoření světa“ („Die Erschaffung der Welt“), der 1958 bei den Filmfestspielen in Venedig mit einen Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Der französische Cartoonist Jean Effel und sein polnischer Kollege Eduard Hofman arbeiteten mehrere Jahre an ihrer Nacherzählung der Genesis. In der DDR wurde die heitere-ironische Geschichte um einen Schöpfergott, der das Licht seinem Feuerzeug entlockte, mit Begeisterung aufgenommen. Vom Vatikan wurde sie als Gotteslästerung verachtet.

Schwierige Zeiten
Im Oktober 1968 wurde die Fernsehserie „Geschichten aus Moos und Farn“ mit den beiden Gnomen Křemílka und Vochomůrky ausgestrahlt. Ende der siebziger Jahren zauberte Václav Bedřich für Bratři v triku beispielsweise „Bob und Bobek“ aus einem Zylinder. Die beiden Kaninchen, die in einem Zauberhut leben, laufen nach wie vor beim Večerníček. Im vergangenen Jahr dienten sie als Maskottchen für die Eishockey-Weltmeisterschaft. In den frühen Achtzigern erhielten die Figuren „Mach a Šebestová“ eine Trickfilmserie. Die Abenteuer der beiden Grundschüler zählten unter Kindern zu den beliebtesten Beiträgen im Večerníček.

Nach 1989 durchlebte das Studio auf dem Gelände der Barrandov-Filmstudios in Smíchov schwierige Zeiten; häufige Personalwechsel und sinkende Filmproduktion machten dem Unternehmen zu schaffen. Der letzte Auftrag, eine Serie über Mozarts kleine Nachtmusik, konnte im Studio nicht mehr umgesetzt werden und ging an eine japanische Produktionsfirma. Im Jahr 2012 wurde die eigenständige Marke Bratři v triku von der Produktionsfirma Krátký film übernommen.

70 Jahre Bratři v triku. Strahov-Kloster (Strahovské nádvoří 1, Prag 1), geöffnet: täglich 9.30 bis 11.30 Uhr und 12 bis 17 Uhr (24. und 25. Dezember geschlossen), Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 60 CZK), bis 31. Dezember, www.bratrivtriku70.cz