Geschichtsträchtiges Erbe
Das westböhmische Cheb ist als „Historische Stadt des Jahres“ ausgezeichnet worden
30. 4. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: Karelj
Eine graue Grenzstadt, deren Kern von einer tristen Plattensiedlung gerahmt wird: Mit diesem Image gehört Cheb (Eger) nicht gerade zu den beliebtesten Ausflugszielen für Touristen. Zudem liegt die 32.000 Einwohner zählende Stadt im Schatten des Kurorts Františkovy Lázně (Franzensbad), im westlichsten Zipfel Tschechiens. Dass Cheb dennoch mehr als einen riesigen Vietnamesen-Markt zu bieten hat, beweist die historische Altstadt. Das sogenannte Špalíček (Stöckl) sowie die Kaiserpfalz aus dem zwölften Jahrhundert und die gotische Basilika Sankt Nikolaus zeugen von einer langen Geschichte.
Für den Erhalt seines architektonischen Erbes wurde Cheb kürzlich zur „Historischen Stadt des Jahres 2014“ gekürt. Wie die Jury bei der Vergabe des mit einer Million Kronen dotierten Preises auf der Prager Burg begründete, würdigte sie damit vor allem die vorbildliche Denkmalpflege der Stadt. Besonders hoben die Preisrichter die Zusammenarbeit mit dem bayerischen Tirschenreuth hervor, mit dem Cheb im Jahr 2013 die Landesgartenschau ausgerichtet hatte. Anlässlich der Schau war ein Teil der Stadt saniert worden.
Bereits 2006 und 2012 hatte Cheb im Finale des Wettbewerbs um die „Historische Stadt des Jahres“ gestanden. In diesem Jahr reichte es zum Sieg – die Stadt setzte sich gegen das ostböhmische Jičín und den ersten Prager Stadtbezirk durch. Etwa 29 Millionen Kronen (rund eine Million Euro) investierte Cheb 2014 in die Instandsetzung seiner Baudenkmäler. Die denkmalgeschützte Zone der Stadt umfasst 205 Monumente.
Zu einem der bekanntesten gelangt man, wenn man durch die Fußgängerzone in Richtung Marktplatz läuft, auf dem sich das Wahrzeichen der Stadt befindet: das Stöckl. Der Komplex aus elf mittelalterlichen, zum Teil aus Fachwerk gefertigten Häusern wurde früher von jüdischen Kaufleuten bewohnt. Die auffallend hohen Gebäude entstanden im 13. Jahrhundert; sie werden durch eine schmale Gasse voneinander getrennt. Dahinter steht das Pachelbelhaus, ein gotisches Bürgerhaus aus dem 15. Jahrhundert, das heute das Regionalmuseum beherbergt. Berühmt wurde das Gebäude durch den Aufenthalt Albrecht von Wallensteins, der 1634 dort ermordet wurde. Besucher können im Museum das ausgestopfte Pferd des böhmischen Feldherren sehen und eine Nachbildung seines Schlafzimmers besichtigen. Eine weitere Dauerausstellung beleuchtet die Geschichte von etwa 20 grenznahen Dörfern im Egerland.
An der Ostseite des Marktplatzes fällt das barocke Rathaus des italienischen Architekten Giovanni Battista Alliprandi auf. Ihm gegenüber steht das Grüner-Haus, dessen Eingangsportal vom Familienwappen der Werndls geschmückt wird. Das ursprünglich gotische Haus wurde 1713 zu einem der ersten repräsentativen Barockhäuser der Stadt umgebaut. Mehrmals verweilte hier Johann Wolfgang von Goethe, der mit dem Magistratsrat Grüner befreundet war. Verlässt man den Marktplatz in Richtung Norden, gelangt man zur Kirche Sankt Nikolaus. Sie wurde im 13. Jahrhundert als dreischiffige Basilika errichtet. Vom Ursprungsbau blieben das Westportal und der untere Teil des Turms erhalten.
Nordöstlich der Altstadt befindet sich die Burg. Früh wurde Cheb von den Staufern zu einem Verwaltungszentrum des Heiligen Römischen Reiches erhoben. Kaiser Friedrich I. Barbarossa ließ die Burganlage oberhalb des Flusses Eger nach seinem ersten Aufenthalt in der Reichsstadt im Jahr 1179 zur Kaiserpfalz ausbauen. Es entstanden der romanische Palast, die Doppelkapelle Sankt Martin und der Schwarze Turm, von dessen Spitze man heute einen guten Blick über Stadt und Umland hat. Ein Unikat birgt der östliche Burgwall: die zweistöckige romanisch-gotische Kapelle Sankt Erhard und Sankt Ursula, deren oberer Teil der kaiserlichen Familie vorbehalten war.
Im südlichen Teil des Stadtkerns kann das gotische Franziskanerkloster mit seinem Kreuzgang aus dem 14. Jahrhundert besichtigt werden. Vier Kilometer weiter westlich, auf dem Grünberg (Zelená hora) befindet sich einer von vier Bismarcktürmen in Tschechien. Der rund 18 Meter hohe Turm wurde 1909 zu Ehren des Reichskanzlers Otto von Bismarck errichtet. Während des Kalten Krieges geriet er aufgrund seiner geographischen Lage im Sperrgebiet in Vergessenheit. Seit seiner Restaurierung im Jahr 2005 ist das Denkmal wieder für Besucher geöffnet.
Die Stadt Cheb plant auch in einem Jahr wieder, sich an einer bayerisch-böhmischen Landesgartenschau zu beteiligen. Für die Ausstellung, die gemeinsam mit der Partnerstadt Bayreuth ausgetragen wird, soll diesmal das Gebiet um das ehemalige Schwimmbad neu gestaltet werden. Zudem wird ein Wanderweg von der Talsperre bis zum Aussichtsturm Egerwarte angelegt.
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