Geschlossener Rücktritt
Zankapfel ÚSTR: Beirat dankt ab – Premier erkennt „Links-Putsch“
18. 4. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: Daniel Hermann (ustr.cz)
Der Streit um das Institut für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR) spitzt sich zu. Unmittelbarer Anlass war die Abberufung des bisherigen Institutsleiters Daniel Herman am Mittwoch vergangener Woche. Regierungschef Petr Nečas (ODS) bezeichnete diesen Schritt als „Links-Putsch“, der den „zukünftigen problemlosen Eintritt kommunistischer Kader in die Staatsverwaltung“ ermöglichen solle. Die linken Oppositionsparteien ČSSD und KSČM wiesen die Vorwürfe von sich. Vertreter beider Parteien sprachen von „haltlosen Anschuldigungen“ und „unsinnigen und dummen Argumenten“.
Politischen Streit um das ÚSTR, eine Art tschechische Gauck-Behörde, gibt es seit seiner Gründung. Konservative und Linke werfen sich gegenseitig vor, die Behörde für ihre Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Angeheizt wurde der Konflikt Mitte März, als der sozialdemokratisch dominierte Senat einen ODS-Kandidaten bei der Wahl in den Institutsrat durchfallen ließ. Schon damals sprach Premier Nečas von einer „gezielten Strategie der Linken“, das Institut zu beherrschen.
Eine der ersten Amtshandlungen des neu zusammengesetzten Institutsrats war die Abberufung des Behördenleiters Herman. Dies geschah jedoch, so die Ratsvorsitzende Petruška Šustrová, nicht aus politischen, sondern aus rein fachlichen Gründen: „Das Institut arbeitet nicht so wie es arbeiten könnte.“ Die einzelnen Projekte seien „zusammenhangslos und chaotisch“, die Digitalisierung des Archivs „konzeptlos“, so Šustrová.
Der abberufene Institutschef widerspricht dieser Kritik. Seine Entlassung sei „politisch motiviert“ und geschah „auf Druck einzelner aus der ČSSD mit Unterstützung der Kommunisten.“ Laut Herman und Nečas stehe hinter der Abberufung das Bemühen einflussreicher ČSSD-Mitglieder, das dem Institut angegliederte „Archiv der Sicherheitskräfte“ kontrollieren zu wollen. Dieses beinhaltet unter anderem Unterlagen der Staatssicherheit sowie der Auslands- und Militärnachrichtendienste. Das Archiv sei bisher eine „Barriere“ gewesen, die es verhindert habe, dass „kommunistische Kader in die Staatsverwaltung eindringen“, so der Regierungschef.
„Alles Spekulation“
Unterstützung erfuhr der abgelöste Institutschef vom wissenschaftlichen Beirat des ÚSTR. Dieses Fachgremium ist beratend für Fragen der Forschung zuständig und besteht aus 15 renommierten Wissenschaftlern. Aus Protest gegen die Entlassung Hermans ist dieser Rat geschlossen zurückgetreten. „Es ist traurig, dass Daniel Herman mit Hilfe von Lügen und als Folge einer Konspiration vertrieben wurde“, so Ratsmitglied Igor Lukeš, im Hauptberuf Historiker an der Universität Boston.
Vertreter der linken Opposition verwahrten sich gegen diese Vorwürfe. ČSSD-Vize Lubomír Zaorálek bezeichnete die Anschuldigungen als „Unsinn“. „Keine Beweise, keine Gründe, nur Spekulationen. Die Behauptung, die ČSSD wolle das Archiv beherrschen, ist absurd.“ Damit solle von den Problemen im Land abgelenkt werden, so Zaorálek.
Der neue Institutsleiter soll im Rahmen eines ordnungsgemäßen Bewerbungsverfahrens innerhalb der nächsten zwölf Monate bestimmt werden. Als Interims-Chefin wurde Pavla Foglová eingesetzt; sie leitete zuvor das Tschechische Zentrum in Warschau.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“