Gestochene Kostbarkeiten

Gestochene Kostbarkeiten

Museum in Ostrava stellt meisterhafte Grafiken aus der Renaissance aus

22. 1. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: APZ

Wie kaum ein anderer deutscher Künstler verkörpert Albrecht Dürer (1471–1528) den Typus des zeichnenden Genius. Bereits zu Lebzeiten galt der Nürnberger als Legende. Mit seinem künstlerischen Schaffen ermöglichte er der deutschen Malerei nicht nur den Sprung aus der provinziellen Bedeutsamkeit, sondern verhalf der Kunst als eigenständiger Disziplin zu höherem Wert in einer Zeit, da sie überwiegend noch als Handwerk betrachtet wurde. Dürers perfektionierte Technik bei Holzschnitt und Kupferstich erhob damit die Druckgrafik von der Buchillustration in den Rang eines eigenständigen Kunstwerks.

Von der virtuosen Linienführung und Detailtreue des Meisters können sich Kunstliebhaber derzeit in Ostrava überzeugen. Mit der Ausstellung „Albrecht Dürer und seine Zeitgenossen“ („Albrecht Dürer a jeho současníci“) präsentiert das Museum Ostrava insgesamt 67 Grafiken bedeutender Künstler des 15. und 16. Jahrhunderts. Neben Dürer finden sich auch Werke von Lucas Cranach dem Älteren, Martin Schongauer, Ludwig Krug, Albrecht Altdorfer und Hans Schäufelin in der Schau. Künstler, deren Namen im Schatten Dürers zwar ein wenig verblassen mögen, deren Grafiken dennoch ebenso beeindruckend wirken.

Die ausgestellten Holzschnitte und Kupferstiche entstammen dem Nachlass des ungarischen Kunsthistorikers Imre Henszlmann (1813–1888), der insgesamt mehr als 400 Bildwerke umfasst. Als Mitbegründer des Ostslowakischen Museums in Košice (Východoslovenské múzeum) vermachte Henszlmann die vermutlich auf Reisen nach Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland erworbenen Bilder per Testament dem Museum. Bereits 2012 machte ein Teil der Sammlung anlässlich des 140-jährigen Bestehens des Hauses halt in zahlreichen europäischen Städten. Nun ist die erlesene Auswahl an Grafiken in Ostrava zu sehen.

Künstlerbewusstsein erwacht
Bis Ende Februar können Besucher berühmte Bilder besichtigen. Zum Beispiel Dürers „Rhinocerus“ – das, obschon Dürer nie ein lebendiges Nashorn gesehen hatte und das Tier anatomisch nicht korrekt wiedergab, lange Zeit die mitteleuropäische Vorstellung des Panzernashorns prägte – oder ungewöhnliche Raritäten wie die kaum briefmarkengroßen Stiche der Gebrüder Hans Sebald und Barthel Beham. Unter den Bildsujets dominieren die Darstellungen biblischer Motive und Landschaften.

Vor allem das berühmte Kürzel AD dürfte dem Publikum auffallen, das in roten Lettern von den Museumswänden hervorsticht. Dürer gilt heute als der erste Künstler, der seine Grafiken systematisch mit einem Monogramm signierte. Es sollte zum Gütesiegel seiner Werke werden und zugleich das erwachende Selbstbewusstsein des Künstlers symbolisieren. Wie seine italienischen Zeitgenossen Tizian oder Michelangelo erkannte Dürer das Potential der Druckgrafik, durch deren Vervielfältigung seine eigene Bekanntheit zu steigern und über den professionellen Vertrieb der Blätter seine Einkünfte zu sichern. Im Eigenverlag verlegte er seine Grafiken und vertrieb sie über den Buchhandel. So wurden die Werke recht schnell in ganz Europa bekannt und beeinflussten überregional unzählige Künstler.

Anfang Februar wird die Ausstellung um weitere Kostbarkeiten erweitert: Wie Museumsdirektorin Jiřina Kábrtová bekanntgab, erhält das Museum dann acht Bilder von Lucas Cranach dem Älteren. Unter den von der Nationalgalerie in Prag ausgeliehenen Werken wird auch das berühmte „Christus und die Ehebrecherin“ zu sehen sein. Außerdem könne sich Ostrava auf eine kleine Premiere freuen, sagt Kábrtová. „Eines der Bilder, dessen Titel ich jedoch nicht verraten möchte, wird nach 70 Jahren, in denen es im Fundus der Nationalgalerie schlummerte und schließlich in den letzten Jahren restauriert wurde, erstmals wieder der Öffentlichkeit präsentiert.“  

Dürer und seine Zeitgenossen. Stadtmuseum Ostrava (Ostravské muzeum, Masarykovo náměstí 1), geöffnet: Mo.–Fr. 9–17 Uhr, Sa. 9–13 Uhr, So. 13–17 Uhr, Eintritt: 60 CZK (ermäßigt 40/50 CZK), www.ostrmuz.cz, bis 27. Februar