Gigantisches Projekt

Gigantisches Projekt

Nationales Technikmuseum erinnert an Bau der Nusle-Brücke

27. 11. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: nuselskymost.cz

 

Ist sie auch wirklich belastbar? Um das festzustellen, ließ man im November 1970 insgesamt 66 Panzer auffahren. Damals wie heute hält sie dem Druck stand. Die Rede ist von der Nusle-Brücke. Sie besteht aus 22.000 Kubikmeter Beton und 4.000 Tonnen Stahl. Jeden Tag rasen über 160.000 Autos über sie hinweg. Wer das Stauproblem in der Prager Innenstadt kennt, kann sich vorstellen, dass der Straßenverkehr ohne diese Brücke zum Erliegen kommen würde.

Das Nationale Technikmuseum (NTM) widmet dem Bauwerk nun eine eigene Ausstellung. „Vor allem geht es dabei um die Entstehungsgeschichte. Wie sich die Ideen mit der Zeit gewandelt haben, in welche Sackgassen die Verantwortlichen gestoßen sind“, sagt Petr Krajčí, der die Ausstellung konzipiert hat. Denn das Projekt, mit dem eine direkte Verbindung von Pankrác in die Neustadt geschaffen werden sollte, brachte Bauingenieure jahrzehntelang zum Verzweifeln. Auch in den Plänen der deutschen Nationalsozialisten habe eine Brücke über das Nusle-Tal eine große Rolle gespielt, erinnert Krajčí.

Zu ihrer Fertigstellung im Jahr 1973 wurde die etwa 500 Meter lange und 43 Meter hohe Brücke als „Flaggschiff der Brückenbaukunst“ in der ehemaligen ČSSR gefeiert. Dieser Leistung wollte auch Šárka Hubičková ein Monument setzen. Vor kurzem brachte die Schwiegertochter des Architekten Stanislav Hubička, der 1961 die Ausschreibung für das Projekt gewonnen hatte, einen Bildband heraus, der nicht nur die Geschichte der Nusle-Brücke dokumentiert, sondern auch die Grundlage für die Ausstellung im Technikmuseum bildet.

„Die gesamte Konstruktion und die damit verbundenen Bauarbeiten waren für die damalige Zeit einzigartig und äußerst anspruchsvoll“, lobt der Ehrenpräsident der Tschechischen Kammer der Ingenieure und Techniker (ČKAIT) Václav Mach. Für die kommunistischen Machthaber symbolisierte die „Klement-Gottwald-Brücke“ (benannt nach dem von 1948 bis 1953 amtierenden Präsidenten) den Aufbruch in eine neue Zeit. 1974, als die ersten U-Bahnen in einem Tubus unter der Fahrbahnplatte der Brücke ihren Betrieb aufnahmen, erfüllte sich eine Zukunftsvision.

Die Ausstellung könnte unter dem Motto stehen: „Wo es Probleme gibt, lassen sich auch Lösungen finden“. Dass die Architekten und Ingenieure bei ihren Planungen geahnt haben, dass ihr Bauwerk schon bald nach ihrer Eröffnung den unrühmlichen Beinamen „Selbstmörder-Brücke“ tragen würde, darf bezweifelt werden. Über 200 Menschen sollen von dort in den Tod gesprungen sein. Das nicht einmal ein Meter hohe Geländer machte es ihnen leicht. Sicherheitszäune wurden erst nach 1990 installiert. Die beste Lösung war das allerdings nicht. „Wir hätten damals gerne transparentes Polycarbonat aus Deutschland genutzt, mit dem wir den Zaun hätten abrunden können. Aber ein Quadratmeter kostete 100 Mark“, erinnert sich Hubička. Erst vor wenigen Jahren stellten die Kosten kein Problem mehr dar: Es wurde ein neues Geländer angebracht, die Todessprünge gehören nun der Vergangenheit an.  

Die Nusle-Brücke – Geschichte, Bau, Architektur. Nationales Technik-Museum – Kleine Galerie, geöffnet: Di.–Fr. 9 bis 17.30 Uhr, Sa. & So. 10 bis 18 Uhr, Eintritt (für das gesamte Museum): 190 CZK (ermäßigt: 90 CZK), www.nuselskymost.cz und www.ntm.cz, bis 11. Oktober 2015