Gleiches Recht für alle Kranken
Ausländer aus Nicht-EU-Staaten haben keinen Anspruch auf eine gesetzliche Versicherung. Nichtregierungsorganisationen wollen das ändern
11. 11. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Techniker Krankenkasse/CC BY-NC-ND 2.0
Wer als Nicht-EU-Bürger in Tschechien an Epilepsie erkrankt oder ein Frühchen zur Welt bringt, hat Pech gehabt. Nicht nur, weil er an Krampfanfällen leidet oder sich Sorgen um sein Kind macht, sondern auch, weil die Chancen schlecht stehen, dass seine private Krankenversicherung die Kosten für die nötige medizinische Versorgung übernimmt. Wie sich diese Missstände beheben lassen, darin sind sich staatliche Behörden und Nichtregierungsorganisationen derzeit uneins.
Das Innenministerium plant eine Gesetzesänderung. Es will die privaten Versicherungen dazu bringen, Zuwanderern einen ähnlichen Schutz zu bieten wie tschechischen Bürgern. Kritik an den Plänen kommt jedoch von mehreren gemeinnützigen Organisationen. Sie werfen der Behörde vor, mit der geplanten Novelle wollten sie Ausländern weitere Steine in den Weg legen und ihre Integration verhindern. Die Situation würde sich durch die Neuerung nur verschlechtern. Sie fordern stattdessen gleiches Recht für alle. Konkret schlagen sie vor, dass Zuwanderer nach einem Jahr in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden sollen. Nur die ersten zwölf Monate müssten sie sich selbst versichern. Von einer solchen Regelung wären höchstens 80.000 Menschen betroffen.
Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten können sich nach derzeit gültigem Recht gesetzlich krankenversichern, wenn sie in Tschechien einen Daueraufenthalt (trvalý pobyt) haben oder Angestellte einer tschechischen Firma sind. Aufgenommen werden auch Wissenschaftler, die langfristig hierzulande tätig sind, Asylbewerber und in bestimmten Fällen Kinder bis zwei Monate nach der Geburt. Keinen Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung haben dagegen Unternehmer, Studenten und in einigen Fällen Familienangehörige von Zuwanderern. Sie müssen sich privat versichern.
„Zehntausende Ausländer haben Probleme mit den privaten Krankenversicherungen“, berichtet Martin Rozumek, Vorsitzender der „Organisation für Flüchtlingshilfe“ und übt fundamentale Kritik an der tschechischen Migrationspolitik: „Ausländer werden benachteiligt und diskriminiert.“ Laut Elena Tulupová vom Konsortium der Nichtregierungsorganisationen, die mit Migranten arbeiten, bieten private Krankenversicherungen nicht ausreichend Schutz. Sie kommen zum Beispiel nicht für die Behandlung von Diabetes – oder eben Epilepsie und die Pflege zu früh geborener Kinder – auf. Die betroffenen Ausländer sind in Tschechien zwar verpflichtet, sich zu versichern. Die privaten Krankenversicherungen sind aber im Gegenzug nicht verpflichtet, sie aufzunehmen und können die Verträge kündigen. Die Beiträge würden zudem im Voraus für den gesamten Zeitraum kassiert, zu unrecht eingezogene Gelder aber nicht zurückerstattet, beklagt Tulupová.
Die Regierung verhandelte bereist im vergangenen Jahr über die Stellung von Migranten im Krankenversicherungssystem. Das Gesundheitsministerium hatte sich gegen die Integration in die gesetzliche Kasse ausgesprochen. Stattdessen schlug es vor, dass private Krankenversicherungen Ausländer nicht ablehnen dürfen und ihnen in etwa die gleiche Versorgung gewähren müssen wie den gesetzlich Versicherten. Für die Aufnahme von Nicht-EU-Bürgern in das öffentliche System hatten dagegen mehrere Akademiker argumentiert sowie das Büro der Ombudsfrau. Experten gehen davon aus, dass Ausländer mehr in die gesetzlichen Kassen einzahlen würden als abschöpfen. Sie warnen außerdem, Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten könnten sich statt in Tschechien anderswo niederlassen, wenn die Bedingungen sich nicht bessern.
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