Grenzenlose Geruchsbelästigung
Im Erzgebirge klagen Bürger über Gestank aus Böhmen. Umweltminister wollen in Prag beraten
26. 2. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Juan de Vojníkov
Aus Böhmen kommt der Gestank, da ist man sich im Erzgebirgskreis sicher. Seit Jahren klagen Bürger auf der sächsischen Seite der Grenze über Luftverschmutzung. Sie sprechen von „Katzendreckgeruch“, der von Industrieanlagen im tschechischen Litvínov kommen soll. In der vergangenen Woche traf sich der sächsische Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) deswegen mit Vertretern von Bürgerinitiativen aus Seiffen und Umgebung. An diesem Donnerstag will er in Prag mit seinem Amtskollegen Richard Brabec (ANO) sprechen.
In den vergangenen 15 Jahren haben die Umweltbehörden des Freistaats immer wieder Untersuchungen durchgeführt, um die Quellen der Geruchsbelästigung zu identifizieren. Unter anderem wurden Luftproben genommen, es gab ein deutsch-tschechisches Probandenprogramm auf beiden Seiten der Grenze und Forscher beobachteten den Weg der Luftmassen. „Im Ergebnis steht fest, dass die Geruchsbelastungen in der nordböhmischen Industrieregion ihren Ursprung haben“, erklärte das sächsische Umweltministerium in der vergangenen Woche. „Eine einzelne Quelle für die Belastungen kann jedoch bisher nicht identifiziert werden.“
Außerdem lägen keine Informationen darüber vor, dass einzelne Industrieanlagen die EU-weit geltenden Grenzwerte für Luftschadstoffemissionen nicht einhalten würden. „Weder Stickstoffdioxid noch Benzol oder Schwefeldioxid sind für die Geruchsbelastung im Erzgebirge verantwortlich. Die gemessenen Maximalkonzentrationen liegen weit unter den Geruchsschwellen der Stoffe“, so das Ministerium.
Diese Stoffe seien zwar in der Luft vorhanden, aber „definitiv nicht die Ursache für die Geruchsbelastungen“.
Die Behörden vermuten stattdessen, dass „organisch-chemische Verbindungen in Spurenkonzentrationen“ für den Gestank verantwortlich seien, diese seien jedoch „messtechnisch schwierig zu erfassen“, außerdem gebe es keine geregelten Grenzwerte.
Wissenschaftlich untersucht wurden auch die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bürger. Das sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz ließ unter anderem Obst- und Gemüseproben analysieren, im Jahr 2006 wurden bei mehr als 430 Kindern in Kindergärten der Region beobachtet, ob Atemwegs- und Magen-Darm-Erkrankungen mit der Luft- und Geruchsbelastung zusammenhängen. „Keine der Untersuchungen konnte einen direkten Zusammenhang zwischen den gemeldeten Luftbelastungen und dem Krankheitsgeschehen nachweisen“, heißt es nun seitens des Umweltministeriums.
Klar ist für die sächsischen Behörden nur, dass sie das Problem nicht ohne die tschechischen Nachbarn lösen können. Schmidt will daher beim Gespräch mit seinem Amtskollegen Brabec ein „offeneres Informationsangebot der beiden großen Unternehmen am Standort Litvínov anregen“. Diese sollten die Bevölkerung beiderseits der Grenze vorab über geplante Betriebsvorgänge informieren, die möglicherweise zu Geruchsbelastungen führen, so der Wunsch der Sachsen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“