Havel, Rock und Art déco
Das Kulturzentrum Palác Akropolis feiert doppeltes Jubiläum und blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück
27. 9. 2016 - Text: Milena Fritzsche, Titelbild: David Green, CC BY-NC-ND 2.0
Ein Geheimtipp für das junge Publikum ist der Palác Akropolis längst nicht mehr. Das alternative Kulturzentrum in Žižkov wird in jedem Prag-Reiseführer empfohlen. In unmittelbarer Nähe des Fernsehturms an einer Kreuzung gelegen, ist das farbenfrohe Gebäude im Art-déco-Stil nicht zu übersehen. Bekannte Bands wie die „Pixies“, „The Strokes“ und „Sigur Rós“ traten schon hier auf. Doch „Mainstream“ will man auf keinen Fall sein, dagegen wehren sich Eva Kociánová und Eliška Černá. Die beiden sind für die Öffentlichkeitsarbeit des Klubs zuständig und sitzen nach getaner Arbeit bei Limonade und Zigarette im hauseigenen Café.
An den Wänden kündigen Plakate die nächsten Veranstaltungen an. Von Konzerten über Bewegungstheater und Zirkus bis zu Ausstellungen ist alles dabei.
Doch das Gespräch dreht sich schnell um die Geschichte des Gebäudes, von der Kociánová und Černá selbst nur einen kleinen Ausschnitt miterlebt haben. Denn der Palác Akropolis wurde schon vor 90 Jahren als Kulturhaus konzipiert und überdauerte die Jahrzehnte – trotz Umbrüchen und Systemwechseln mit verschiedenen Machthabern. In diesem Jahr feiert der Klub das 20-jährige Bestehen seit der Wiedereröffnung 1996.
Nach der Samtenen Revolution fand eine Gruppe von Künstlern das leerstehende Gebäude voller Gerümpel vor. Eine dicke Staubschicht überdeckte alles. Die Wände waren teilweise feucht und modrig. Die Decken drohten einzubrechen. Es musste erst einmal gründlich aufgeräumt werden. Außerdem war klar, dass umfassende Renovierungsarbeiten anstehen würden. „Zunächst sollte lediglich ein Theater eröffnet werden“, erzählt Kociánová. Vor allem das damals bekannte Ensemble „Pražská pětka“ habe dabei ihre Ideen eingebracht. „Doch schließlich versprach man sich von einem Musikklub mehr finanziellen Erfolg“, so Kociánová.
Der Präsident als Freund und Besucher
Nach 1989 blühte das Prager Kulturleben nach Jahrzehnten der kommunistischen „Normalisierung“ neu auf, zahlreiche Klubs öffneten ihre Tore. Viele sind inzwischen bereits Geschichte. Was ist das Erfolgsgeheimnis des Palác Akropolis? Sicherlich habe es geholfen, dass der heutige Direktor Lubomír Schmidtmajer mit Václav Havel befreundet war, vermuten Kociánová und Černá. „Die Menschen, die ihm und seinem Kunstverständnis nahe waren, kamen auch zu uns.“ Und Havel selbst habe Mitte der neunziger Jahre mehrere Veranstaltungen im Akropolis besucht, war bei Konzerten dabei. Einige seiner Stücke wurden im großen Saal des Hauses aufgeführt. „Was uns aber von Beginn an von anderen Veranstaltungsorten unterschied, war die Größe und die Tradition des Hauses“, sagt Kociánová.
Sie spricht damit das 90. Jubiläum der Grundsteinlegung an, das in die Spielzeit 2016/17 fällt. Der Architekt Rudolf Svoboda, eher Experten als interessierten Laien ein Begriff, zeichnete für mehrere Gebäude im Art-déco-Stil in Žižkov verantwortlich. Der Bau des Palác Akroplis begann im März 1927. Svoboda war dabei auch Geldgeber und Inhaber.
Sein Ziel war es, zwischen Vinohrady und dem Arbeiterbezirk Žižkov ein Café und eine Theaterbühne als Begegnungsstätte zu etablieren. Außerdem sollte es dort die neueste Technik für Filmvorführungen geben. Sein Traum, so formulierte er, war „ein außergewöhnliches Haus, in dem man vielfältigen Raum für großartige Musik, Theater und Kunst findet.“ Außerdem wäre es ein geeigneter Treffpunkt für ein Bier und ein Ort zum Tanzen. Und man könne Menschen treffen, die man anderswo nicht treffen würde.
Die Vision wurde im Februar 1928 Wirklichkeit. Im großen Saal fanden bis zu 430 Besucher Platz, die dort Kabarett, Laientheater und die letzten Stummfilme der Epoche erleben konnten. Außerdem war der Palác Akropolis für seinen exzellenten Kaffee bekannt, der in 14 Sorten angeboten wurde. Doch durch die Entfernung zum Stadtzentrum und den weiten Weg, den Besucher auf sich nehmen mussten, wurde es nicht das einflussreiche Theater, das Svoboda sich erhofft hatte.
Krise, Krieg und Kommunismus
In den dreißiger Jahren folgte die Wirtschaftskrise. Svoboda hatte Schulden und sah keine andere Möglichkeit, als das Gebäude zu verkaufen. Der Prager Geschäftsmann Jiří Koldovský wurde zum neuen Inhaber. Es folgte eine umfassende Renovierung des Saals. Die bisherigen Schauspieler wurden durch ein Ensemble aus Theater- und Filmstars ersetzt, darunter der berühmte Schauspieler František Filipovský. Das „Moderní divadlo“ eröffnete am 27. August 1939. Während des Zweiten Weltkriegs fanden dort nur noch Filmvorführungen statt.
Direkt nach dem Krieg wurde das Gebäude kurzzeitig für humanitäre Zwecke gebraucht. Senioren und Arbeitslose erhielten hier eine günstige Mahlzeit. Im Februar 1948 schlossen die neuen kommunistischen Machthaber das Haus für kulturelle Veranstaltungen. Konkrete Pläne, wie es mit dem Palác Akropolis weitergehen sollte, hatten sie aber auch nicht. So wurde er unter anderem als Warenhaus und Kartoffellager genutzt. Zeitweise stand es sogar ganz leer. Später, als in den achtziger Jahren der Fernsehturm errichtet wurde, waren die Bauarbeiter froh über ein warmes Essen und ein kühles Bier. Das Haus bot beides an, regelmäßig wurde dort ein- und der Baustelle der Rücken gekehrt.
Seinem ursprünglichen Zweck wurde der Palast erst wieder nach der Samtenen Revolution und der Übernahme durch Schmidtmajer und seinen Mitstreitern zugeführt. Heute gibt es zwei Bühnen, eine Musikbar, ein Café und ein Restaurant. Fast jeden Tag gebe es zwei, manchmal auch drei Veranstaltungen, erzählen Kociánová und Černá. „Unser Publikum ist sehr vielfältig“, so Černá. „Montags kommen die Rockfans, dienstags gehen die Intellektuellen zu den Theatervorführungen, mittwochs legt der DJ auf und so weiter.“ Dementsprechend wolle man das zweifache Jubiläum nun nicht mit einer einzelnen großen Feier begehen. Dafür soll das vielseitige Programm der ganzen Saison dienen.
Die beiden sind sich einig, dass Musiker und Publikum auch deshalb in den Klub kommen, weil sich Žižkov in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Künstlerviertel etabliert habe. Einen wesentlichen Anteil daran hat auch ihr Haus. Kociánová gibt jedoch zu bedenken: „Die Konkurrenz in Prag ist groß. Wir sind nicht die einzigen, die um ein intellektuell anspruchsvolles Publikum werben.“
Weitere Informationen unter www.palacakropolis.cz
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