Heißer Herbst

Heißer Herbst

Das tschechische Tennis erwartet einen spannenden Saisonabschluss

10. 10. 2012 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: wikimedia

 

Mit 33 Jahren geht für Radek Štěpánek (ATP 41) ein später Karriere-Traum in Erfüllung. Der Tennis-Oldie aus dem ostmährischen Karviná wird zum ersten Mal in seinem Leben beim Saison-Abschluss der führenden Einzel- und Doppelspieler teilnehmen. Bei den „ATP World Tour Finals“ in London vom 5. bis 12. November – früher auch „Masters“, „ATP World Championship“ oder „Tennis Masters Cup“ genannt – spielt die Spitze der Gilde um den inoffiziellen Weltmeistertitel. Im Einzel gab es für den konstant an der Weltspitze vertretenen Štěpánek in seiner abwechslungsreichen Karriere kaum die Gelegenheit, am Ende des Jahres so weit vorne zu stehen, um unter die besten Acht zu kommen. Im Doppel sieht es da nun etwas anders aus – an der Seite des sechs Jahre älteren Inders Leander Paes bietet sich ihm die Gelegenheit, um die Krone des besten Tennisduos zu kämpfen. Für Paes ist es bereits die 13. Teilnahme am Turnier. Eine beeindruckende Quote, die nicht einmal Superstar Roger Federer aus der Schweiz übertrifft (elf Teilnahmen). Dieser tritt freilich im einiges höher einzustufenden Einzelwettbewerb an.

Volle Agenda
Für einen Startplatz in London sieht es auch für den in Monaco lebenden tschechischen Profi Tomáš Berdych sehr gut aus. Die Nummer Sieben im Einzelranking belegt im „Race to London“ den sechsten Rang. Beiden Wertungen sind nicht zu verwechseln: Die erstgenannte bezeichnet die dauerhafte, „echte“ Weltrangliste, in der die Spieler jeweils auch ihre gewonnenen Punkte aus dem Vorjahr verteidigen müssen. Im „Race“ werden nur die innerhalb eines Kalenderjahres gesammelten Punkte gezählt – wer dort am Ende des Spielkalenders unter den ersten Acht steht, ist dabei. Eine Ausnahme gibt es dann, wenn ein Spieler im Verlauf des Jahres ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat, sich aber jenseits vom Cut befindet. Dieser würde dann auf Kosten des Achtplatzierten nachrücken. Berdychs Vorsprung gegenüber dem Neunten im „Race“, dem Serben Janko Tipsarevič, beträgt einen Monat vor Beginn des Turniers stolze 1.000 Punkte. Bei maximal noch vier zu spielenden Turnieren (darunter die Masters-Turniere von Shangai und Paris) ein beruhigendes Polster. Der 27-Jährige kann also schon provisorisch die Trainingspläne für London in seine Agenda einfügen.

Dass diese für Berdych bis Ende November gut gefüllt ist, hängt auch damit zusammen, dass Tschechien im Finale des Teamwettbewerbes, dem traditionsreichen Davis-Cup, steht. Dort treten die Spieler von Captain Jaroslav Navratíl zwischen dem 16. und 18. November gegen Spanien an. In der heimischen O2-Arena in Prag werden Berdych, Štěpánek und Co. versuchen, dem Topfavoriten von der iberischen Halbinsel den Titel zu entreißen. Das Spiel findet auf einem Hartplatz statt, der den Tschechen wohl eher behagt als den Sandspezialisten Rafael Nadal (ATP Nr. 4), David Ferrer (5) und Nicolas Almagro (11). Erfreulich ist hierbei die Nachricht, das der elffache Grand-Slam-Sieger Nadal nach seiner langen Verletzungspause beabsichtigt, im November die Saison-Endpunkte World-Tour-Finals und Davis-Cup-Endspiel zu bestreiten. Um das zu schaffen, wird er laut Trainer und Onkel Toni Nadal Mitte Oktober das Training wieder aufnehmen.

Auch die tschechischen Tennisdamen brauchen sich hinter den Erfolgen ihrer männlichen Kollegen nicht zu verstecken – im Gegenteil. Das Fed-Cup-Team um die Leaderin und ehemalige Wimbledon-Siegerin Petra Kvitová (WTA 6) steht im Finale des Länderwettbewerbs vom 3. und 4. November. Und auch die Frauen kommen in den Genuss, dieses vor heimischem Publikum in der O2-Arena zu bestreiten. Der Belag ist dabei derselbe wie bei den Herren, die Rolle aber eine ganz andere. Gegen die Serbinnen sind die Titelverteidigerinnen aus Böhmen und Mähren klar als Favorit anzusehen. Neben Kvitová will die als Nummer 18 der Weltrangliste geführte Lucie Šafářová dafür sorgen, dass der Pokal daheim bleibt.

Kleines Land – Große Tradition
Ins Rennen um die „WTA Championships“ in Istanbul vom 23. bis 28. Oktober wird Šafářová ganz bestimmt nicht mehr eingreifen können, denn im Finale der besten acht Frauen stehen alle Teilnehmerinnen fest. Neben Tschechien mit Petra Kvitová hat auch Deutschland mit Angelique Kerber aus Kiel ein Eisen im Feuer. Im Doppel kämpfen Andrea Hlaváčková und Lucie Hradecká um den Tennisthron.

Dem tschechischen Tennis steht somit ein spannender Herbst bevor. In allen wichtigen Entscheidungen haben seine Protagonisten ein Wort um die Titelvergabe mitzureden – eine sehr erfreuliche Bestandsaufnahme für ein kleines Land mit großer Tennistradition.