Hinter den Kulissen
Die Polizeireform sorgt weiterhin für Streit in der Regierungskoalition
11. 8. 2016 - Text: Katharina WiegmannText: kw/čtk; Foto: Vláda ČR
Das politische Drama um die Polizeireform geht in die nächste Runde. Am 1. August nahm die „Nationale Zentrale gegen das organisierte Verbrechen“ (NCOZ) ihre Arbeit auf. In der neu geschaffenen Einheit sollen sich unter der Führung von Direktor Michal Mazánek 870 Polizisten unter anderem mit Korruption, Extremismus aber auch Wirtschaftsverbrechen und Migration befassen. Die Zusammenlegung verschiedener Abteilungen, die bislang getrennt voneinander operiert hatten, soll eine effektivere Verbrechensbekämpfung ermöglichen. „Zu den Prioritäten zählen beispielsweise Terrorismus und Cyberkriminalität“, gab Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) in einer Pressemitteilung bekannt. „Diese Arten von Kriminalität sind auf dem Vormarsch und es ist nötig, sie wirksam zu bekämpfen“, so Chovanec.
Was sich wie ein einfacher Verwaltungsakt anhört, sorgt in der politischen Szene seit Monaten für erbitterten Streit. Chovanec hatte die Umstrukturierung trotz der Ablehnung des Koalitionspartners ANO durchgesetzt. Insbesondere Finanzminister und Vizepremier Andrej Babiš zeigte sich kritisch gegenüber der Reform und warf Chovanec vor, die Polizei zu destabilisieren. Warum genau eine bürokratische Neuordnung so viel Aufmerksamkeit auf höchster politischer Ebene bindet, ging im Lärm der Auseinandersetzung zwischen Babiš und Chovanec unter.
Eine Schlüsselfigur bei der Entwirrung des Plots könnte der ehemalige Chef der Abteilung zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen (ÚOOZ) Robert Šlachta sein, der im Juni aus Protest gegen die Reform seinen Posten räumte. Kritiker aus den Reihen von ANO äußerten früh den Verdacht, die gesamte Reorganisation habe möglicherweise nur das Ziel gehabt, Šlachta loszuwerden. Aber warum? Jüngste Entwicklungen im Reformprozess bieten reichlich Raum für Spekulationen.
Die Fakten sehen folgendermaßen aus: In der vergangenen Woche hatte Chovanec angekündigt, die Abteilung der Finanzpolizei innerhalb der NCOZ würde ab Januar 2017 ihre Arbeit aufnehmen und sich vor allem um Steuervergehen kümmern – gemeinsam mit den Beamten des Zolls, deren Kompetenzen erst kürzlich ausgeweitet wurden. Babiš kommentierte, dass er nichts gegen die Gründung der Finanzpolizei habe, solange Verbesserungen im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität absehbar seien. Er gab aber auch bekannt, dass er den Zollbehörden, die seinem Ministerium unterstehen, gerne eine noch stärkere Rolle bei der Untersuchung von Steuervergehen zusprechen würde. „Das ist meine Vision, die ich in den folgenden Wochen vorstellen werde.“ Setzt Babiš sich damit durch, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Finanzpolizei und Zoll sich gegenseitig in die Quere kommen. Dass der Machtkampf zwischen Chovanec und Babiš noch längst nicht erledigt ist, verdeutlicht auch eine Personalentscheidung in der dem Finanzminister unterstellten Behörde: Šlachta akzeptierte das Angebot, stellvertretender Generaldirektor beim Zoll zu werden.
Inzwischen hat sich auch die Opposition eingemischt und öffentlich die Verbindung zwischen Babiš und Šlachta kritisiert. „Es ist schwer zu glauben, dass die Beziehung zwischen dem Oligarchen Babiš und General Šlachta gewöhnlicher Natur ist und kein Risiko darstellt“, reagierte der Vorsitzende von TOP 09 Miroslav Kalousek auf die Ernennung Šlachtas. „Wenn enge Beziehungen zwischen zwei Menschen bestehen – und dies ist hier bewiesenermaßen der Fall –, von denen einer politische, mediale und ökonomische Macht anhäuft und der andere bedeutende repressive Befugnisse hat, ist das immer eine Gefahr. Eine Gefahr dafür, dass die gleichen Bedingungen für alle gelten“, so Kalousek.
Babiš konterte umgehend: „Ich habe keinerlei Beziehung zu Herrn Šlachta. Kalousek ist korrupt und lügt.“ Šlachta habe wertvolle Erfahrungen im Kampf gegen Korruption gesammelt, deshalb habe man ihm ein Angebot gemacht. Die Behauptungen einer persönlichen Verbindung seien „Fabrikationen“ derer, die sich einen Stopp der Korruptionsbekämpfung im Land wünschten, so der Finanzminister. Von Seiten der ČSSD wurde die neue Personalie beim Zoll zurückhaltend kommentiert. Premier Bohuslav Sobotka hatte erklärt, es ergebe Sinn, Šlachta im Staatsdienst zu halten. Innenminister Chovanec merkte lediglich an, in seinem Ressort gebe es derzeit keine freien Stellen.
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