„Ich weiß nicht, warum ich so viel laufen kann“
Nationalspieler Vladimír Darida über EM-Chancen und Bundesliga-Abstiegskampf
8. 1. 2015 - Text: Klaus Hanisch
Vladimír Darida erlebt eine ungewöhnliche Saison. Vor der Winterpause rutschte er mit dem SC Freiburg in der Bundesliga auf den letzten Rang ab – trotz seiner fünf Treffer, die den Tschechen zum erfolgreichsten Torschützen der Breisgauer machen. Doch gleichzeitig eilte der Mittelfeldrenner in der EM-Qualifikation von Sieg zu Sieg. Für die neue tschechische Nationalelf wurde Darida zu einem unverzichtbaren Baustein. Heimische Experten sehen ihn bereits als möglichen Nachfolger des großen Mittelfeldstrategen Pavel Nedvěd, der einst gar „Fußballer Europas“ war.
Höhenflug mit der tschechischen Nationalelf, Abstiegskampf mit dem SC Freiburg. Wie verarbeiten Sie diese Extreme zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt?
Vladimír Darida: Im Fußball sind es ganz oft Kleinigkeiten, die entscheiden. Mit der tschechischen Nationalmannschaft hatte ich im ein oder anderen Spiel ein bisschen Glück, ich erinnere nur an den späten Siegtreffer gegen die Niederlande. In Freiburg dagegen haben wir jetzt schon fünfmal in der Schlussminute den Ausgleichstreffer kassiert. Solche Erlebnisse machen es schwierig.
Vor Beginn der EM-Qualifikation wurde der letzte Test zu Hause gegen die USA verloren, Sie selbst verspielten den Ball vor dem Gegentor. Dann gewann die Nationalelf viermal in Folge. Wie ist dieser Umschwung zu erklären? Vielleicht durch den Teamgeist, obwohl über die „drei Musketiere“ als Werbeslogan der Nationalelf anfangs eher gelacht wurde?
Darida: Ich denke, der Slogan steht für den Zusammenhalt zwischen uns Spielern und den Fans. Das ist sicher gerade ein Teil unseres Erfolges. In der EM-Qualifikation war das Tor von Václav Pilař in der Nachspielzeit der ersten Partie (beim Heimsieg gegen die Niederlande im September, Anm. d. Red.) ganz wichtig für uns. So ein positiver Start gibt Sicherheit und Selbstvertrauen. Das haben die folgenden Partien gezeigt.
Im letzten Qualifikationsspiel gegen Island fiel die Elf durch ihr Kombinationsspiel und starke Standards auf. Ein Verdienst von Nationaltrainer Vrba oder eher von Alt-Trainer Karel Brückner, der ihm zur Seite steht?
Darida: Die Mischung stimmt. Wir müssen da alle vier Trainer nennen. Gerade bei Standards bringen auch Krejčí und Svoboda viele Ideen ein. Die Zusammenarbeit im Trainerteam ist sehr gut, davon profitiert die Mannschaft auf jeden Fall.
In Tschechien wird die Elf schon mit jener verglichen, die diese starke EM 2004 spielte. Und Sie gelten bereits als „neuer Nedved“. Sind diese Erwartungen übertrieben?
Darida: (lacht) Ja, das ist übertrieben. Unsere Karrieren lassen sich bis jetzt nicht vergleichen.
Sie waren mit 24 Jahren zuletzt der drittjüngste Akteur im Team. Machen Sie sich mit Blick auf die EM in zwei Jahren Sorgen über das hohe Alter der Elf, gerade in der Abwehr?
Darida: Ist das so? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen! Ich denke nicht, dass es von Nachteil sein könnte, dass wir jede Menge Erfahrung aufs Feld bringen.
War der Sieg gegen Island schon die Fahrkarte für die EM 2016 in Frankreich?
Darida: Er war auf jeden Fall ein sehr großer Schritt in Richtung Frankreich, aber gewonnen haben wir noch gar nichts. Entscheidend werden unsere Heimspiele gegen Kasachstan und Lettland sein, da müssen wir einfach weiter punkten. Wir sind auf einem guten Weg, müssen ihn jetzt aber auch zu Ende gehen.
Sie laufen in einem Spiel nicht selten über 13 Kilometer und gelten gemeinsam mit Weltmeister Christoph Kramer von Borussia Mönchengladbach derzeit als laufstärkster Spieler in der Bundesliga. Woher kommt diese unglaubliche Kondition?
Darida: Ich werde öfter gefragt, warum ich so viel laufen kann. Aber, ehrlich gesagt, weiß ich das selber nicht. Das wurde mir wohl in die Wiege gelegt, ich bin eben mit dieser Gabe geboren worden. Großartig trainieren muss ich das auch nicht. In der Schulzeit habe ich öfter Fünf- oder Zehn-Kilometer-Läufe mitgemacht, aber im Training mache ich nichts anderes als alle anderen Spieler auch.
Für den SC Freiburg sind Sie mittlerweile ein Schlüsselspieler. Wie groß war der Druck, als teuerster Transfer der Freiburger Vereinsgeschichte auflaufen zu müssen?
Darida: Man hat mir hier in Freiburg nie das Gefühl gegeben, dass ich der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte sei. Es gab nach meiner Verpflichtung noch nicht mal eine extra Pressekonferenz. Freiburg ist ein sehr familiärer Club, bei dem es Team und Umfeld neuen Spielern leicht machen. Das ist gut für mich und passt zu mir.
Wie im letzten Jahr steht der SC wieder mitten im Abstiegskampf. Zur prekären Lage gaben Sie kürzlich das Rezept: „Weiter arbeiten, nicht nachlassen.“ Das klingt schon sehr deutsch. Liegt Ihnen Deutschland?
Darida: Ist das typisch deutsch? Ich glaube nicht. Dieses Rezept trifft auf alle Sportmannschaften der Welt zu. Mir liegt im Moment Freiburg besonders. Die Art und Weise, wie hier gearbeitet wird, passt zu mir.
Wie sehr half Ihnen Ihr tschechischer Landsmann Pavel Krmaš bei der Eingewöhnung?
Darida: Pavel hat mir unheimlich geholfen und tut es immer noch. Er hat jetzt vielleicht ein bisschen mehr Freizeit, weil ich meine Interviews inzwischen auf Deutsch gebe und Pavel nicht immer übersetzen muss. Mit der Grammatik komme ich allerdings auch nach einem guten Jahr Übung noch nicht zurecht. Das ist echt schwierig (lacht).
In Tschechien waren Sie Meister und Pokalsieger, in Freiburg spielen Sie gegen den Abstieg. Fehlen Ihnen nicht die Europacup-Abende?
Darida: Ja, die fehlen! Es ist einfach schön, im Herbst noch ein paar Spiele mit dieser besonderen Atmosphäre bestreiten zu können. Auf der anderen Seite hat uns in Freiburg im vergangenen Jahr die Doppelbelastung (in Europa League und Bundesliga, Anm. d. Red.) viele Schwierigkeiten bereitet.
Sie haben in dieser Saison bereits vier Elfmeter verwandelt. Ist diese Ruhe und Kaltblütigkeit eine Charaktereigenschaft von Ihnen oder eignen Sie sich das speziell an, etwa durch mentale Übungen?
Darida: …und gegen Hamburg habe ich danach gleich in der zweiten Minute einen Elfmeter verschossen. Das war sehr bitter, weil ich glaube, dass wir dieses wichtige Spiel mit einer frühen Führung im Rücken gewonnen und nicht wieder nur Unentschieden gespielt hätten. Spezielle Übungen habe ich nicht. Ich konzentriere mich bei der Ausführung nur darauf, was ich machen will. Bei vier Versuchen hat das geklappt, bei einem leider nicht.
Eine weitere Spezialität von Ihnen sind Tore aus großer Distanz. Wie in der letzten Saison beim 1. FC Nürnberg und jetzt Ende November gegen Stuttgart. Trainieren Sie dies speziell?
Darida: Nach dem Training lege ich gerne noch ein paar Zusatzschichten ein und übe am Abschluss. Wenn es nach mir geht, dürfte es im Spiel ruhig noch etwas öfter gelingen.
Dagegen noch kein Tor von Ihnen in 22 Länderspielen. Ihre Erklärung dafür?
Darida: Das ist wie am Anfang schon gesagt: Oftmals sind es Kleinigkeiten, die entscheiden. Ich hatte schon einige viel versprechende Versuche, die gingen aber knapp vorbei. Es wird aber auch in der Nationalmannschaft mit dem ersten Tor klappen – und wenn es per Strafstoß ist…
Die Fragen stellte Klaus Hanisch.
Zur Person
Vladimír Darida spielt seit August 2013 für den SC Freiburg. Die Breisgauer bezahlten rund vier Millionen Euro für den im August 1990 in Sokolov geborenen Mittelfeldspieler. Mittlerweile wird sein Marktwert auf rund sechs Millionen Euro geschätzt. Davor lief Darida für Viktoria Pilsen auf, wo er seit 1995 in allen Schüler- und Jugendmannschaften eingesetzt wurde und im April 2010 sein Debüt in der höchsten tschechischen Spielklasse gab. Nach einer Ausleihe zu Zweitligist FK Baník Sokolov entwickelte sich Darida zu einem Stammspieler im defensiven Mittelfeld und spielte für die Westböhmen in der Champions und Europa League. Dort war er vorige Saison auch für den SC Freiburg am Ball. In die tschechische Nationalelf kam Darida nach Auftritten in der U20- und U21-Auswahl. Für Tschechien nahm er an der EM 2012 in Polen und der Ukraine teil, kam allerdings nur im Viertelfinale gegen Portugal zum Einsatz, das die Tschechen verloren. Als Erfolge stehen die tschechischen Meisterschaften 2011 und 2013 sowie der Pokalsieg 2010 in seiner Karriere-Bilanz.
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