Illegales Passgeschäft
Angeblich verlorene Reisedokumente tauchen bei Kontrollen am Flughafen wieder auf
18. 2. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ
Was ein europäischer Reisepass Wert ist, wissen vor allem diejenigen, die ihn nicht haben. Wenn sie an den Grenzen der Festung Europa stehen, ist ein Pass nicht nur ein Stück Papier, sondern ein Schlüssel zu einem, wie sie hoffen, besseren Leben. Auch in Tschechien erkennen offenbar immer mehr Menschen den Wert ihres Reisepasses – und versuchen auf illegale Weise, ihn zu Geld zu machen.
In den vergangenen drei Jahren verzeichnete die Fremdenpolizei hierzulande 105 Fälle, in denen tschechische Pässe gefälscht oder geändert worden waren. Dabei stellte sie fest, dass einige der ungültigen Dokumente wahrscheinlich Teil eines illegalen Geschäfts waren, bei dem tschechische Bürger ihre Pässe an Kriminelle verkauft hatten. Diese manipulierten die Dokumente und vertrieben sie an Menschen in Afrika oder im Nahen Osten, die bereit waren, Tausende Dollar dafür zu bezahlen.
Die verdächtigen Umstände fielen der Polizei bei Kontrollen an fünf internationalen Flughäfen hierzulande auf, den einzigen Orten in Tschechien, an denen es Grenzen zu Ländern außerhalb des Schengen-Raums gibt. Dort hätten sich die betroffenen Ausländer nach der Ankunft entweder mit komplett gefälschten Pässen ausgewiesen oder mit Papieren, bei denen nur die Seite mit dem Foto geändert worden war, berichtet Hubert Lang, Leiter der Abteilung für Ausweisdokumente bei der Fremdenpolizei. Bei der weiteren Überprüfung habe sich jedoch gezeigt, dass einige der sichergestellten Pässe als gestohlen oder verloren gemeldet und andere überhaupt nicht in der Datenbank der tschechischen Polizei registriert waren.
Später bemerkten die Ermittler, dass einige tschechische Bürger innerhalb kurzer Zeit mehrmals behauptet hatten, ihren Pass verloren zu haben. „Es ist nicht ganz normal, dass manche Personen während eines halben Jahres drei oder vier Mal ihre Reisedokumente verlieren und alle diese Papiere in Zusammenhang mit illegaler Einwanderung wieder auftauchen“, sagt Lang. Außerdem fiel den Polizisten auf, dass die manipulierten Reisepässe oft von Menschen verloren worden waren, die in Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit lebten, zugleich stammten sie häufig aus sozial schwachen Schichten.
Laut Lang gelangten gefälschte Papiere, die aus nordböhmischen Kleinstädten stammten, zum Beispiel in die Hände von Menschen aus der umkämpften syrischen Stadt Aleppo. Verschiedenen Quellen der Tschechischen Nachrichtenagentur zufolge werden sie auch im Umfeld der italienischen Insel Lampedusa gehandelt, die jedes Jahr Zehntausende Flüchtlinge übers Mittelmeer zu erreichen versuchen. Mit tschechischen Pässen reisten häufig Iraner oder Syrier, die für die Dokumente umgerechnet mindestens 25.000 Kronen bezahlten, so Lang. Es seien aber auch Fälle bekannt, in denen Menschen das Doppelte in Rechnung gestellt worden sei. „Wir haben eine Familie aus Syrien erwischt, die sehr viel Geld bezahlt hat. Sie hatte all ihren Besitz verkauft und war aus dem Kriegsgebiet geflohen“, beschreibt der zuständige Abteilungsleiter einen Fall von Passbetrug. Theoretisch, glaubt er, drohe auch die Gefahr, dass tschechische Papiere in die Hände „gefährlicher Menschen“ gelangen könnten. Als Gegenmaßnahme könne zum Beispiel eine Gesetzesänderung helfen, mit der die Gebühren für einen neuen Pass erhöht würden, wenn jemand seine Reisedokumente schon mehrmals verloren gemeldet hat.
Das Innenministerium hat sich dazu noch nicht geäußert. Vom kommenden Jahr an soll aber das Nationale Zentrum für Dokumentenkontrolle seinen Dienst aufnehmen, das unter anderem noch von der Regierung genehmigt werden muss. Aufgabe der neuen Einrichtung wird es sein, Informationen über gefälschte oder manipulierte Papiere zu sammeln. Davon erhoffen sich die Behörden, dass die Polizei die Lage besser bewerten und sich auf mögliche Bedrohungen vorbereiten kann. Tschechische Reisedokumente entsprechen hohen Sicherheitsstandards, die Fälschungen verhindern sollen. Lang zufolge ist die Zahl von mehr als 100 entlarvten Dokumenten in drei Jahren dennoch nur die Spitze des Eisbergs: „Wir glauben, dass es weit mehr solcher Fälle gibt.“
„Wie 1938“
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