Im Einklang

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Aufnahme von Flüchtlingen: Zeman und Babiš wollen Parlament entscheiden lassen

11. 8. 2016 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: ČTK

Staatspräsident Miloš Zeman und der stellvertretende Regierungschef Andrej Babiš (ANO) blasen wieder einmal in das gleiche Horn. Beide stellten sich in der vergangenen Woche zum wiederholten Male gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Auch den im Herbst 2015 gefällten Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister, wonach insgesamt 120.000 Flüchtlinge auf die Mitgliedstaaten verteilt werden und Tschechien etwa 2.700 aufnehmen soll, lehnen Zeman und Babiš ab. Sie plädieren dafür, dass das tschechische Parlament darüber abstimmt.

„Mit der Aufnahme von Flüchtlingen würden wir den Nährboden für barbarische Angriffe auf dem Gebiet der Tschechischen Republik schaffen“, ließ das Staatsoberhaupt über seinen Sprecher Jiří Ovčáček ausrichten. Das Land könne sich nicht erlauben, Terroranschläge zu riskieren, wie sie in Frankreich und Deutschland stattgefunden hätten. Sowohl die Quotenregelung vom vorigen Jahr als auch die im EU-Abkommen mit der Türkei festgelegte Aufnahme von 80 Syrern sollten nach Ansicht des Präsidenten in den beiden Parlamentskammern diskutiert werden, sagte Ovčáček. Derzeit bereitet die Regierung einen Plan vor, wie Tschechien die Vereinbarungen erfüllen kann.

Beistand erhielt Zeman von Vizepremier und Finanzminister Andrej Babiš. In einem Kommentar für die Online-Zeitung „expres.cz“ befürwortet auch er einen Parlamentsbeschluss. Für eine Klage beim Europäischen Gerichtshof, die Ungarn und die Slowakei im Dezember gegen die Flüchtlingsverteilung eingereicht hatten, sei es zwar schon zu spät. Dennoch müsse Tschechien die Entscheidung der EU-Kommission nicht unbedingt respektieren. Dafür nehme er auch Sanktionen in Kauf. „Ich will keinen einzigen Flüchtling in unserem Land – noch nicht einmal vorübergehend“, teilte Babiš mit und führte dafür Sicherheits­bedenken und Ängste in der tschechischen Bevölkerung an. Über Twitter stellte er klar: „Ich habe den Glauben an eine erfolgreiche Integration, an den Multikulturalismus verloren.“

Im Parlament würde Babiš mit diesen Worten großen Beifall ernten – vor allem aus den Reihen der Opposition. Nicht jedoch von Regierungschef Bohuslav Sobotka, der mehrmals betonte, Menschen in Not müsse Asyl gewährt werden. Für den EU-Kommissar Günther Oettinger verstoße eine Abstimmung auf nationaler Ebene gegen europäisches Recht. Denn die Flüchtlingsquote sei mit großer Mehrheit beschlossen worden, sagte Oettinger in einem Interview mit dem Radiosender „ffn“. Auf Zemans Aussagen bezogen, mahnte er an: „Wer als Präsident europäische Gesetzgebung so diffamiert, der schwächt Europa insgesamt.“

Auch mehrere Nichtregierungsorganisationen, die in Tschechien Flüchtlingen helfen, verurteilten die Ansichten von Zeman und Babiš. „Dass sich Flüchtlinge nicht integrieren lassen, entspricht nicht der Wahrheit und ist gefährlich. Die Gesellschaft wird dadurch noch mehr gespalten“, kritisierte Magda Faltová, Leiterin der Vereinigung für Integration und Migration (SIMI). Martin Rozumek von der Organistion für Flüchtlingshilfe (OPU) merkte an, dass Tschechien allein schon auf Grundlage internationalen Rechts verpflichtet sei, Asyl zu gewähren. Und in einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten die NGOs die Aussagen „als eine populistische Reaktion auf die derzeitige Situation in Europa – im Rahmen einer Wahlkampf-Kampagne (am 7. und 8. Oktober finden in Tschechien die Regionalwahlen statt; Anm. d. Red.), die Fakten und Erfahrungen der Vergangenheit außer Acht lässt.“