Im falschen Buch

Im falschen Buch

Fehlerhaft und kitschig: Jean-Michel Guenassias Roman „Eine Liebe in Prag“ bereitet wenig Lesevergnügen

7. 1. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton

 

Bin ich im falschen Film – oder vielmehr im falschen Buch? Die Frage stellt sich der Leser des Romans von Jean-Michel Guenassia etwa 250 Seiten lang. „Eine Liebe in Prag“ lautet der Titel der deutschen Übersetzung, die im vorigen Jahr im Insel-Verlag erschienen ist. Im französischen Original heißt das Buch „La vie rêvée d’Ernesto G.“, wörtlich übersetzt „Das geträumte Leben des Ernesto G.“. Doch der Insel-Verlag wollte offenbar den Bezug zu Prag betonen – obwohl das den Leser etwas anderes erwarten lässt, als er in der gut 500 Seiten dicken Ausgabe vorfindet.

Der Protagonist Josef Kaplan – auf die Anspielung an Kafkas Josef K. wird überdeutlich hingewiesen, was sehr gewollt wirkt – wird zwar 1910 in Prag geboren, verlässt seine Heimatstadt aber schon nach 16 Romanseiten, im Jahr 1935, um in Paris zu studieren und zu arbeiten. Als Jude entkommt er dem Holocaust, weil er erst in Algier und dann an einem abgelegenen Ort in der algerischen Provinz arbeitet. Nach dem Krieg kehrt er in seine Heimat zurück, tritt in die Kommunistische Partei ein und wird Abgeordneter. Wenige Jahre später ist seine Begeisterung jedoch verschwunden: „Er konnte den klebrigen Optimismus dieses sozialistischen Katechismus nicht mehr ertragen, der sie in einer kollektiven Gruft begrub.“

Mag sein, dass die Übersetzung von Eva Moldenhauer bei solchen Formulierungen nahe am französischen Original liegt. Leider klingt Guenassia damit im Deutschen aber oft unglaublich kitschig. Etwa wenn es nach dem Tod von Josefs Mutter heißt: „Das Licht der Kindheit war entschwunden.“ Wenig förderlich für das Lesevergnügen sind außerdem die auffallend vielen Fehler. So werden „die Wildscheine und die Wölfe“ beschrieben, oder es wird gefragt: „Geht’s dir es gut?“ Wer ein wenig Tschechisch versteht, ärgert sich nicht zuletzt über komische Schreibweisen und Sonderzeichen die nach Belieben verwendet oder weggelassen werden. Die Vermieterin von Josefs Vater heißt mal Marchova und mal Marchowa, der Prager Hauptbahnhof wird als „Hlavní Nádraží-Bahnhof“ bezeichnet und die Spálená-Straße wird zu Spatena-Straße.

Weniger auf Übersetzerin und Lektoren als auf den Autor selbst zurückzuführen ist das merkwürdige Tschechien-Bild. Guenassia bedient sich dabei aller Klischees – natürlich werden „Hektoliter Bier“ getrunken. Die „endlosen Winterabende Böhmens“, die im Roman beschrieben werden, erinnern allerdings eher an Sibirien als an ein tschechisches Mittelgebirge. Kurz: Wer einen Prag-Roman lesen möchte, sollte besser zu einem anderen Buch greifen.

Jean-Michel Guenassia: Eine Liebe in Prag. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Insel-Verlag, Berlin 2014, 510 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-458-17585-8