Im Spielzeugland
In Benátky nad Jizerou kann man nicht nur auf den Spuren von namhaften Persönlichkeiten wandeln, sondern auch in die eigene Jugend zurückreisen
31. 7. 2013 - Text: Yvette PolášekText: Yvette Polášek; Foto: H. Raab
Während die Sonne unerbittlich auf den Marktplatz scheint, sucht eine alte Frau, in Volkstracht gekleidet, Schutz im Schatten ihres Sonnenschirms. Wohl geordnet vor ihr reihen sich Kisten gefüllt mit Karotten, Pflaumen, Äpfeln und Gurken aneinander. Vor der Kulisse farbenfroher Giebelhäuser verkauft sie ihr frisch geerntetes Obst und Gemüse an die Marktbesucher, die von Stand zu Stand schlendern und die Ware begutachten. Man könnte meinen, es ist eine Szene, wie sie sich jeden Samstagmorgen auf dem Marktplatz in Benátky nad Jizerou abspielt. Doch das lebendige Treiben findet lediglich in einer Glasvitrine statt. Es begrüßt die Besucher am Eingang des Spielzeugmuseums in Benátky, etwa 33 Kilometer nordöstlich von Prag.
Geschaffen wurde die Miniaturwelt in jahrelanger Kleinstarbeit von dem leidenschaftlichen Sammler Jiří Fiala, seit 1999 ist sie im Schloss von Benátky öffentlich zugänglich. „Während unter den Kommunisten meine Nachbarn zu Parteiversammlungen gingen, trieb ich mich auf Sammlerbörsen herum. Ich habe gesammelt und gesammelt, aber nach einiger Zeit habe ich festgestellt, dass ich nicht mehr weiß, wohin mit dem Spielzeug. So musste ich es in Bananenkartons lagern“, erläutert Fiala die Entstehungsgeschichte seines Sammelsuriums. Nach der Samtenen Revolution ergab sich für ihn erstmals die Möglichkeit, seine Sammlung in den Räumlichkeiten des Schlosses auszustellen, obwohl die Stadtgemeide anfangs nicht gerade an das Projekt glaubte, wie Fiala lachend erzählt. „Das Stadtamt war überzeugt, dass mein Museumsprojekt auf Grund von mangelndem Interesse ein schnelles Ende finden würde.“ Stattdessen stieß das Privatmuseum, das Spielzeug vor allem aus den Jahren 1860 bis 1945 zeigt, auf reges Interesse. So wurde die Exposition bald um zwei weitere Ausstellungsräume erweitert.
Raritäten aus Fernost
Heute sind im Spielzeugmuseum Puppen, Plüschtiere, Blechautos, Eisenbahnmodelle, Miniaturnähmaschinen, Puppenmöbel und –häuser aus der ganzen Welt sowie ein anderthalb Meter großes, bewegliches Riesenrad zu sehen. Alles, was kleine Kinderaugen verzückt und große Besucher in ihre eigene Kinderzeit zurückversetzt. „Ich habe mich vor allem auf Puppen und Puppenhäuser spezialisiert. Meine Leidenschaft geht so weit, dass ich sogar einige Stücke von Reisen aus Sri Lanka und Japan mitgebracht habe,“ schmunzelt Fiala. „Es macht mir vor allem Spaß, Spielzeug zu restaurieren. Ich versuche, es so zu reparieren, dass es seine Patina behält und damit seine Betrachter sehen können, dass es alt ist und in der Vergangenheit wirklich jemand damit gespielt hat.“
Sein ganzer Stolz gehört den japanischen Puppenküchen und -häusern, die sogar regelmäßig Reisegruppen aus Japan anlocken. „In Europa sind sie eine wahre Rarität und selbst in Japan sind sie nicht leicht zu finden. Ich habe sie dem Spielzeugmuseum in Tokio abgekauft.“ Bis heute reist Fiala von Zeit zu Zeit mit seiner japanischen Frau in kleinere Museen in der Umgebung von Tokio, um nach weiteren Exponaten Ausschau zu halten. Meist jedoch ohne Erfolg.
Die größte Spielzeugsammlung der Tschechischen Republik ist nicht das einzige, was das Städtchen seinen Besuchern zu bieten hat. Neben den alljährlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Filmfestival der Amateure oder dem Golfcup der Stadt Benátky, ist vor allem das Schloss einen Besuch wert. Es wurde im 16. Jahrhundert nahe der von den Hussiten zerstörten Burg Dražice errichtet. Vom dazugehörigen Garten aus kann man einen wunderbaren Blick über die Schlossmauer auf die Stadt erhaschen.
Zurück ins Mittelalter
Zu den bekanntesten Besuchern Benátkys zählte zweifellos der dänische Astronom Tycho Brahe. Kaiser Rudolf II. ließ dem Wissenschaftler 1599 hier ein Observatorium errichten, in dem er sich fern des höfischen Trubels seinen Studien widmen konnte. In Benátky sollte Brahe im Jahr 1600 auch seinem Schüler und späteren Nachfolger Johannes Kepler begegnen.
Außerdem ist das Leben eines berühmten Böhmen mit der Stadt verbunden: Zwischen 1844 und 1847 war Bedřich Smetana als Musiklehrer für die Familie Thun und Hohenstein in Benátky tätig. Mehr über diese Persönlichkeiten sowie den einstigen Alltag im Mittelalter vermittelt eine im Schloss untergebrachte interaktive Ausstellung, die bis Ende Oktober zu besucht werden kann. Mit großer Begeisterung versuchen sich Kinder und junggebliebene Erwachsene hier vor allem im Beschlagen von Pferden oder beim Ausprobieren von Ritterrüstungen.
Spielzeugmuseum Benátky (Muzeum hraček), Tel. 326 316 595, www.muzeumhracek.webpark.cz
Schlossmuseum Benátky, Tel. 326 316 682, www.muzeumbenatky.cz
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