In der Fremde zu Hause
Tschechen im Ausland wünschen sich mehr Hilfe aus der Heimat
22. 9. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Sefjo/CC BY-SA 3.0
Es kann anstrengend sein, im Ausland zu leben. Vor allem, wenn die Sprache fremd ist, die Kultur anders und die Bürokratie abschreckend. Das erfahren nicht nur Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sondern auch viele Tschechen, die ihre Heimat in den vergangenen Jahrzehnten verlassen haben. Um letztere müsse sich das Herkunftsland besser kümmern, fanden Teilnehmer einer Konferenz, zu der am Montag und Dienstag der Senat und die „Tschechische Schule ohne Grenzen“ eingeladen hatten.
In Prag berieten die Teilnehmer über die Situation der dauerhaft oder zeitweise im Ausland lebenden Tschechen. Ein Ergebnis war, dass nach dem Vorbild anderer Länder eine Institution entstehen sollte, die sich um ehemalige Emigranten kümmert, aber auch um tschechische Bürger, die ihrem Partner ins Ausland folgen oder zeitweise wegen der Arbeit oder des Studiums jenseits der Grenzen leben. Bisher sind für die Diaspora vor allem ein Bevollmächtigter des Außenministeriums und eine Kommission des Senats zuständig, die jedoch nur beschränkte Möglichkeiten hat.
Zdeněk Uherek leitet das Institut für Ethnologie der Akademie der Wissenschaften in Prag und hat beobachtet, wie sich das Leben der tschechischen Emigranten seit der Samtenen Revolution veränderte. Zu Beginn der neunziger Jahre seien noch viele Tschechen ins Ausland gegangen, um dort irgendeinen Job zu finden, so Uherek. Mittlerweile suchten sie sich eine Arbeitsstelle aus, bevor sie sich auf den Weg machten, griffen bei der Vermittlung auf die Hilfe von Agenturen zurück und gingen oft nicht davon aus, dass sie dauerhaft in der Fremde bleiben.
Tschechen, die längerfristig im Ausland leben, verbringen dort im Schnitt rund zehn Jahre, ergab eine Umfrage, die Uhereks Institut unter knapp 350 Personen in 38 Ländern durchgeführt hatte. Der Mehrheit von ihnen liegt etwas daran, den Kontakt zur Heimat zu pflegen. Ungefähr zwei von fünf sind laut Uherek mit der Familie ins Ausland gezogen und wünschen sich mehr staatliche Unterstützung bei der Lösung praktischer Probleme.
Außerdem fanden die Forscher heraus: Ein Teil derer, die ihre Heimat nach 1989 verließen, fühlte sich im Ausland aufgrund seiner Herkunft diskriminiert. Besonders klagten darüber diejenigen Tschechen, die sich zeitweise in einem europäischen Land niederließen. Zu schaffen machen ihnen zum Beispiel bürokratische Hindernisse und überhebliches Benehmen der Behörden in Frankreich oder das arrogante Verhalten der Deutschen, so Uherek. Vom tschechischen Staat wünschten sich die Tschechen fern der Heimat zum Beispiel flexiblere Öffnungszeiten der Konsulate und intensiveren Sprachunterricht für ihre Kinder. Alle Ergebnisse der Analyse sollen Ende des Jahres veröffentlicht werden.
Die Staatssekretärin im Schulministerium Dana Prudíková erklärte derweil, ihr Haus werde im kommenden Jahr 2,6 Millionen Kronen für den Tschechischunterricht im Ausland zahlen. Das sind umgerechnet 96.000 Euro. Um das „tschechische Kulturerbe“ zu fördern, habe das Ministerium 14 Lehrer in Länder mit tschechischen Minderheiten entsandt – manche sogar bis nach Neuseeland. Doch egal, wie viele Kilometer zwischen den Ausgewanderten und der Heimat liegen – im Tschechischen werden sie meist als „krajané“ bezeichnet, also als „Landeskinder“ oder „Landsleute“. Das – in der Flüchtlingsdebatte oft abfällig gebrauchte – Wort „Migranten“ liest man dagegen kaum, wenn es um Menschen geht, die sich von hier aufmachten, um ihr Glück und oftmals auch einfach bessere Lebensbedingungen in der weiten Welt zu suchen.
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