In der Räuberhöhle

In der Räuberhöhle

Die Felsenwohnungen bei Mělník eröffnen ihre Besuchersaison

8. 5. 2013 - Text: Yvette PolášekText und Foto: Yvette Polášek

Höhlen sind dreckig, dunkel und feucht. Durch eine Öffnung im Fels weht beständig der frostige Wind herein. So dürfte das gängige Bild in den Köpfen vieler aussehen. Unvorstellbar, dass Höhlen auch komfortable Wohnstätten sein können. Noch unvorstellbarer, dass sie noch heute bewohnt werden.

Troglodyte – sogenannte Höhlenbewohner – gab es bis vor kurzem auch in Tschechien. Wer das nicht nicht so recht glauben mag und sich mit eigenen Augen lieber selbst davon überzeugen möchte, muss nur einen Ausflug Richtung Mělník unternehmen. Typisch für die Landschaft sind bizarre Felsformationen aus Sandstein. Als „Frösche“, „Elefanten“ und „Säulen mit Topfdeckeln“ wachsen sie in die Höhe, umgeben von dichten Nadelwäldern und canyon-artigen Tälern.

In dieser Region nördlich von Prag befindet sich in der kleinen Ortschaft Lhotka die am besten erhaltene Felsenwohnung Böhmens und Mährens. Die Wohnstätte mit der Hausnummer eins wurde 1866 vom Straßenarbeiter Jan Kavina in den Sandsteinfelsen geschlagen, den er von der Gemeinde für seine Dienste zuvor erhalten hatte. In den folgenden Jahrzehnten wechselten die Bewohner, bis zuletzt Marie Holubová in der Felsenwohnung lebte, die sie von ihrer Geburt im Jahr 1900 bis zu ihrem Tod 1982 hütete. Es ist also gerade einmal 30 Jahre her, dass im Kokorschiner Tal (Kokořínsko) jemand in einer Art Höhle hauste.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Felsenwohnung kaum von den gewöhnlichen Bauernhäusern, wie man sie vielleicht von den Großeltern noch kennen mag. Die weißen Wände sind sowohl von innen als auch von außen mit Kalk getüncht, die Fensterluken säumen hölzerne Rahmen, aus dem Felsendach ragt ein gemauerter Kamin. Die Eingangstür führt in ein Vorzimmer, durch das man weiter in die Wohnstube gelangt. Ein großer Backofen, der an alte klassische Märchen erinnert, beherrscht den Raum. Zur Wohnung gehören außerdem eine Vorratskammer, die man über die in Fels gehauene Außentreppe erreicht, sowie ein kleiner Stall.

Geräumige Stuben
Ein ähnliches Gebäude ist im nahen Kokořín neben dem Wirtshaus „U Grobiána“ („Beim Grobian“) anzutreffen. Auf der rechten Straßenseite in Richtung der Ortschaft Ráj (Paradies) meißelte auch hier jemand in der Vergangenheit einige geräumige Stuben in den Sandsteinfelsen. Steintrümmer sowie Reste von Felswänden im Inneren weisen darauf hin, dass auch diese Wohnung vor noch nicht allzu langer Zeit verlassen worden ist.

Und wer noch nicht genug gesehen hat, der folgt dem Weg weiter nach Nordwesten in das Dorf Truskavna. Ein gelbes Schild weist dort auf zwei weitere steinerne Behausungen hin. Die erste Wohnung, die sogenannte „Klemperka“ („Jeskyně Klemperka“), entstand aus der Herrichtung einer ehemaligen Höhle. Ihren Namen erhielt sie vom Räuber Klempera, der sich hier Anfang des 19. Jahrhunderts versteckt hielt, bevor ihn Bauern fanden und seinem Leben ein Ende setzten.

Einen Fußmarsch entfernt liegt „Rozbořenka“, eine Felsenwohnung aus dem Jahre 1843, deren Name von ihrem einstigen Besitzer Antonín Rozbořil abgeleitet wurde. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts lebte der ehemalige Wildhüter im Haus mit der Nummer 26, später dann waren es vor allem Wanderer, die sich hier aufhielten.

Felsenwohnung in Lhotka, geöffnet: Mai–September Sa./So. 10–17 Uhr, www.museum-melnik.cz

Wirtshaus „Beim Grobian“, www.grobian.kokorin.info

Region Kokořínsko, www.kokorin.info