Inszenierungen mit Licht und Schatten
Das Kunstgewerbemuseum zeigt Werke František Drtikols
11. 9. 2013 - Text: René PfaffText: René Pfaff; Foto: artnetauctions
„Durch die Architektur des Bildes und den Einsatz des Lichtes kann der Fotograf Regie führen.“
Dieses inszenatorische Prinzip zieht sich durch das gesamte fotografische Werk von František Drtikol. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten verleiht seinen Akt-Aufnahmen Dynamik und, in der kontrastreichen Verbindung mit abstrakten Formen, eine surreale Dimension.
Zum 130. Geburtstag des Fotografen zeigt das Prager Kunstgewerbemuseum (UPM) eine Auswahl von Fotografien und Arbeitsstudien des Künstlers, der heute als erster tschechischer Fotograf von Weltrang gilt. Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden Arbeiten aus der Zeit von 1930 bis 1934, einer stark vom „Art déco“ und Jugendstil beeinflussten Periode des Künstlers.
František Drtikol kam 1883 als Krämersohn im mittelböhmischen Příbram zur Welt. Nach einer Fotografenlehre und dem anschließenden Studium an der Lehr- und Versuchsanstalt für Fotografie in München (heute Hochschule für Fotodesign) eröffnete er ein eigenes Studio, zunächst im heimischen Příbram, später erfolgte dann der Umzug ins nahegelegene Prag. Die Fotografien, die in dem Atelier in der Vodičkova-Straße unweit des Wenzelsplatzes entstanden, zeichnen sich durch eine eigene, unverwechselbare Formensprache aus.
Idealisierte Wirklichkeit
Weibliche Akte gehen die bereits erwähnte Verbindung mit abstrakten Formen ein. Technisch bedeutet das Folgendes: Die fotografierten Akte werden ausgeschnitten und in ein neues Bild gesetzt – sie finden sich als Silhouetten in einer Umgebung aus Linien, Ecken und Winkeln wieder. Dies lässt die Aufnahmen surreal erscheinen, die Bilder entwickeln eine eigene Realität, die Drtikol als „idealisierte Wirklichkeit“ bezeichnete. Erst wenn diese erreicht und eine vollkommen neue Realität erschaffen schien, war Drtikol mit seinem Werk wirklich zufrieden. An der weltweiten künstlerischen Anerkennung seiner Collagen in den zwanziger und dreißiger Jahren hatte dieses radikale Autorenprinzip einen nicht unwesentlichen Anteil.
Zwei stets wiederkehrende Elemente in seinem Werk sind Nacktheit sowie die Dynamik von Licht und Schatten. Ersteres ist bei Drtikol nie allein erotischer Selbstzweck, sondern immer auch spiritueller Natur: der nackte Mensch als das ursprüngliche Abbild seines Schöpfers. Dass dieser göttliche Funke in allen Dingen steckt, davon war Drtikol, der sich intensiv mit fernöstlicher Philosophie und Religion beschäftigt hatte, überzeugt. Besonders dem Licht kommt spirituelle Bedeutung zu. „Denn die Sonne,“ so schrieb er einmal, „ist Gott“.
Das Jahr 1938 markiert das Ende seines fotografischen Schaffens. Drtikol vermachte seinen gesamten Nachlass dem Prager Kunstgewerbemuseum und widmete sich fortan der Malerei sowie der Literatur. František Drtikol starb 1961. Bei seinen Zeitgenossen war er überwiegend in Vergessenheit geraten. Erst eine Retrospektive im Jahr 1972 machte sein Werk wieder einem breiteren Publikum bekannt und legte den Grundstein für die heute unbestrittene Weltgeltung seiner Fotografien.
Ergänzt wird die Ausstellung durch Skizzen von Lampen und Dekorationsgegenständen, die den weithin unbekannten Designer František Drtikol vorstellen.
František Drtikol: Aus seinem fotografischen Nachlass. Kunstgewerbemuseum Prag (17. listopadu 2, Prag 1), geöffnet: Di. 10–19 Uhr, Mi.–So. 10–18 Uhr, montags geschlossen, Eintritt: 80 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 24. November
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