Jenseits des Glaubens
In Emil Hakls „Acht Tage bis Montag“ ringt ein Schriftsteller mit der gleichgültigen Gesellschaft
11. 2. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert
Jan ist Schriftsteller, lebt in Prag und hat sich eher schlecht als recht mit der Gegenwart abgefunden. Um seinen neuen Roman öffentlich vorzustellen, verschlägt es ihn nach Oslo. Eher hilflos beantwortet er die Fragen des Publikums während eines Kongresses in der norwegischen Hauptstadt. Warum er überhaupt an diesem Ort ist, scheint ihm ebenso absurd wie der ganze Literaturbetrieb: „Das Kulturministerium scheut in dieser Hinsicht das Gepränge nicht. Nonchalant buchen sie dort die teuerste Verbindung und stopfen Spesen für vier Tage in die Taschen eines Soziopathen, der am liebsten nur anreisen, „bl-bl-bl“ ins Mikrofon machen und wieder die Kurve kratzen würde.“ Und so flieht Jan bei jeder Gelegenheit ins Internetcafé, wo er mit seinem Prager Freund Evžen E-Mails über ihre gemeinsamen Erfolge beim Computerspiel „Sargweitwurf“ austauscht.
Nebenbei beschäftigt er sich mit der Geschichte der Rote Armee Fraktion. Jan will verstehen, was Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin in den siebziger Jahren zu ihren Taten trieb. „Wie kommt jemand wie Ulrike Meinhof so weit, das Töten abzunicken?“, fragt er sich immer wieder. Mit einer Mischung aus Bewunderung und Verachtung betrachtet Jan den konsequenten Terror der RAF. Er weiß: „Angst ist der Motor der Welt. Die Grenzen bewährter Formen kann man nicht durchschauen, ohne dass man einen Dachschaden davonträgt.“
Zurück in Prag schmeißt er Hals über Kopf seinen Job in einer Redaktion hin, die Kündigung schickt er per E-Mail. Jans Halt bleibt seine wesentlich jüngere Freundin Kája, zu der er jedoch nie zu viel Nähe zulassen kann. Er selbst fühlt sich fehl am Platz zwischen „einparfümierten Stadtsklaven“ und verabscheut die „mittelböhmische Engstirnigkeit“ genauso wie alle Scheinheiligkeiten. Wütend machen ihn seine Zeitgenossen, „die sich kein bisschen wehren (…) und sich lieber ’nen Strick nehmen, als sich um Widerstand bemühen“. Dabei steht Jan der Leistungsgesellschaft ebenso ohnmächtig gegenüber. „Allmählich gehen hier die Allerschwächsten, die Schwächeren und die Mittelschwachen zu Boden. (…) Je schneller die verschwinden, desto besser. Ein unumkehrbarer Zerfall der Sozialnetze – ein Stadium, um das wir nicht herumkommen.“ Jan ist kein Revolutionär, der wirklich etwas verändern will – dafür ist er selbst viel zu bequem, so träge wie seine Landsmänner.
Als das Haus von Evžen beschlagnahmt und dessen Familie auf die Straße gesetzt wird, schmiedet Jan mit ihm und dessen Bekanntem Fratze einen Plan: Sie wollen den für die Zwangsversteigerung verantwortlichen Staatsanwalt aus dem Weg räumen.
Mit Jan hat der Prager Schriftsteller Emil Hakl einen abgeklärten, einsamen Helden entworfen, der sich durch die ernüchternde Welt seines jüngsten Romans „Acht Tage bis Montag“ schlagen muss. Vor zwei Jahren erschien das Buch in Tschechien unter dem Titel „Skutečná událost“ („Wahre Begebenheit“). Hakl erhielt dafür 2014 den bedeutenden Magnesia-Litera-Preis in der Kategorie „Prosa“. Bereits 2003 hatte der Autor, dessen bürgerlicher Name Jan Beneš lautet, für seine Kurzgeschichte „O rodičích a dětech“ („Von Eltern und Kindern“, auf Deutsch 2010 unter dem Titel „Treffpunkt Pinguinhaus: Spaziergänge mit dem Vater“ erschienen) die Literaturauszeichnung erhalten. Für seinen Roman „Pravidla směšného chování“ („Regeln des lächerlichen Benehmens“) wurde der 57-Jährige 2010 mit dem Josef-Škvorecký-Preis geehrt.
Über „Acht Tage bis Montag“ urteilte Schriftstellerkollege Jaroslav Rudiš: „Falls wir Tschechen ein Mittel gegen den Weltschmerz haben, dann ist es die Ironie. Und ihr großer Meister heißt Emil Hakl. Er hat ein zeitgenössisches melancholisches, aber zugleich auch unglaublich witziges Buch geschrieben.“ Der Witz in Hakls Roman schwebt eher zwischen den Zeilen. Was die Dialoge vor allem offenbaren, sind zynisch-traurige Menschen, die in der Gegenwart nicht zurechtkommen. Für den Leser ist es dabei nicht immer leicht, sich zwischen erzählenden Passagen, inneren Monologen des Protagonisten, E-Mail-Konversationen und Dialogen zurechtzufinden.
Dazwischen eingeblendet sind Exkurse zur Geschichte der RAF, die die Handlung mit philosophischen Fragen verbinden, wie zum Beispiel: Ist die Demokratie die menschlichste Gesellschaftsordnung? Wie kann politisches Engagement aussehen? Ist das Erschreckende am Terrorismus nicht, dass sich dahinter Gründe verbergen, die man verstehen kann?
Das alles sind Fragen, die Jan umtreiben, die er aber genauso schnell wieder vergisst wie sie der Leser aus den Augen verliert, wenn er in die nächste Runde Sargweitwurf gerissen wird.
Emil Hakl: Acht Tage bis Montag. Aus dem Tschechischen von Mirko Kraetsch. Braumüller Verlag, Wien 2014, 216 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-99200-123-1
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?