Jugend musiziert
Für die tschechische Musik war 2016 ein erfolgreiches Jahr. Drei junge Künstler gewannen bei Wettbewerben in Brüssel, Leipzig und München
22. 12. 2016 - Text: Jan Nechanický, Fotos: Tereza Jirásková, Honza Ježdík, René Kim
Noch vor ein paar Monaten hätte die Hornistin Kateřina Javůrková nicht gedacht, dass sie am Internationalen Musikwettbewerb der ARD teilnehmen würde. Sie sei zufrieden mit ihrer Karriere und mit ihrem Leben und brauche so etwas nicht, sagte Javůrková. Immerhin habe sie eine Stelle im besten Orchester des Landes – der Tschechischen Philharmonie. „Es hat sich so ergeben, dass ich hinfuhr“ erklärt die 25-Jährige rückblickend. Aus München brachte sie den zweiten Platz mit nach Hause, den sie mit dem Deutschen Marc Gruber teilt. Der erste Platz wurde nicht besetzt. Javůrková nahm zum ersten Mal ein Horn in die Hand, als sie neun Jahre alt war. Damals noch auf Wunsch ihres Vaters.
Heute würde sie nicht mehr tauschen. Wenn sie ein „Stück für Anfänger“ empfehlen sollte, dann eines der vier Hornkonzerte von Mozart. Dieser gehöre nicht nur bei Hornisten zum Grundrepertoire, meint Javůrková. Seit dem Erfolg erhält sie immer mehr Angebote von Orchestern im Ausland. Die tschechische Philharmonie würde sie aber nicht verlassen. Bei ihr sei sie glücklich. Und sie macht auch andere glücklich – nicht nur mit ihrer Musik. In der Kantine der Philharmonie backt sie Torten und Plätzchen. Was ursprünglich ein Hobby war, ist mittlerweile auch Geschäft geworden. Beinahe 100 Kunden haben bei ihr vor Weihnachten bestellt. Für den 70. Geburtstag des Chefdirigenten Jiří Bělohlávek buk sie eine 87 Kilo schwere Torte mit Figuren von allen 122 Philharmonikern. Im kommenden Jahr will Javůrková mit Freunden eine eigene Bäckerei eröffnen.
Auch der 29-jährige Pavel Svoboda feierte dieses Jahr in Deutschland den vielleicht größten Erfolg seiner Karriere. Beim Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb in Leipzig gewann der junge Organist den zweiten Platz. Svoboda ist damit der erste tschechische Preisträger seit 36 Jahren. Er setzte sich gegen 100 andere Organisten aus der ganzen Welt durch. Der seit 1950 stattfindende Musikwettbewerb wird in wechselnden Fächern durchgeführt, dieses Jahr in den Kategorien Gesang, Orgel, Violoncello und Barock-Violoncello. Gerade für Organisten ist es der wahrscheinlich wichtigste Wettbewerb überhaupt. Unter anderem auch, weil man in der Leipziger Thomaskirche spielen kann – der einstigen Wirkungsstätte Bachs. Im Jahr 2013 gewann Svoboda den dritten Platz beim Wettbewerb des Prager Frühlings. Leipzig schätze er jedoch mehr. „Es war ein Traum“, sagte er im Tschechischen Fernsehen. Gerade wegen Bach, den er liebe und unglaublich gerne spiele. „Bachs Werke sind so tiefgründig, dass es einer gewissen Tiefe bedarf, sie aufzuführen“, erklärte er. Svoboda spielt regelmäßig mit dem Barockensemble „Barocco sempre giovane“ und tritt in der ganzen Welt als Solist auf. Zurzeit arbeitet er an einem mutigen Aufführungsprojekt: Künftig möchte er das gesamte Orgelrepertoire Bachs auf die Bühne bringen.
Der Star des Jahres ist zweifellos der 30-jährige Lukáš Vondráček. Der Pianist gewann als erster Tscheche überhaupt den Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel. Der Wettbewerb hat für Musiker etwa den gleichen Stellenwert wie die Olympischen Spiele für Sportler. Wer hier gewonnen hat, darf mit einer Solo-Karriere rechnen. Vondráček, der mitunter als Wunderkind bezeichnet wird, spielte sein erstes Konzert bereits mit vier Jahren. Mit 15 trat er als Solist mit der Tschechischen Philharmonie auf. Im Jahr darauf folgte eine Tour durch Amerika. Dort spielte er unter anderem in der Carnegie Hall in New York. „Obwohl ich Musikwettbewerbe für unsinnig halte, habe ich mir gedacht, dass in diesem Jahr dafür die Zeit gekommen ist. Es war mir klar, dass mir niemand den Erfolg garantieren kann, aber wenn ich nicht gedacht hätte, dass ich eine Chance auf den ersten Platz habe, wäre ich nicht hingefahren“, so Vondráček später. Seit mehreren Jahren lebt der Musiker in Boston, wo er am Konservatorium studierte. Dort fühle er sich zu Hause. Zu seiner Familie komme er aber immer wieder gerne zurück.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?