Karlsbad statt Dresden
Zum zweiten Mal halten deutsche Rechtsextreme einen Fackelmarsch in Tschechien ab
19. 2. 2014 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann; Foto: Jana Dolečková
Mit Trommeln im Marschrhythmus, Fackeln und schwarzen Fahnen zogen rund 150 deutsche und 40 tschechische Neonazis am vergangenen Samstag durch das Kurviertel von Karlsbad (Karlovy Vary), um der Bombardierung Dresdens zu gedenken. Es mag wie ein ideologischer Widerspruch klingen, dass deutsche Neonazis dieses „Gedenken“ ausgerechnet in dem Land praktizieren, das als erstes vom Dritten Reich überfallen und okkupiert wurde. Doch unter dem Banner des „alliierten Bombenterrors gegen die europäischen Völker“ konstruieren sie den Schulterschluss mit ihren tschechischen Gesinnungsbrüdern. Karlsbad sei als Lazarettstadt auch bombardiert worden, genauso wie Prag, und habe so manche Bombe abbekommen, die auf Dresden hätte fallen sollen, hörte man während der Kundgebung, abgehalten im Fackelkreis vor der Mühlbrunnkolonnade. Wichtiger als die Worte waren die Bilder, die die Rechtsextremen inszenierten, und die an die Ästhetik eines SA-Marsches erinnerten.
Der ursprüngliche Grund für die Wahl des Veranstaltungsortes liegt in Dresden. Dort sagten die Neonazis ihren traditionellen Marsch am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung, in diesem Jahr erstmals ab. Das ist ein Verdienst des Bündnisses „Dresden nazifrei“, dem in den vergangenen Jahren immer mehr erfolgreiche Blockaden gelungen waren. Die Neonazis räumten zwar an diesem symbolträchtigen Tag das Feld, überraschten aber mit einem spontan angemeldeten Marsch mit 300 Teilnehmern am Vorabend. Trotzdem mussten sie sich von rund tausend Gegendemonstranten ausbuhen lassen. Das hat ein Teil der Szene offenbar satt und hat als Alternative Tschechien entdeckt, wo Demonstrationen von Rechtsextremen, die sich zumeist gegen Roma richten, viel stärker toleriert werden als in Deutschland.
Schon im vergangenen Jahr hatte das bayerische Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ unter dem Motto „Ein Licht für Dresden“ kurz nach dem für die Rechtsextremen desaströsen 13. Februar spontan nach Ostrava mobilisiert. Ungestört und von den Medien unbemerkt marschierten die deutschen Neonazis mit Fackeln durch die schlesische Industriestadt. Das wollten sie dieses Jahr wiederholen. Karlsbad ist aus Bayern und Sachsen gut zu erreichen. Erst Anfang der Woche meldete ein Tscheche die Demonstration an. Die Karlsbader Stadtverwaltung hatte, anscheinend ahnungslos, den Marsch im Herzen der Stadt genehmigt – ohne Auflagen.
Der Stadt- und Bezirksabgeordnete Jiří Kolek empörte sich: „Wir sind eine Kurstadt, und das gibt ein sehr schlechtes Bild gegenüber unseren Gästen ab.“ Kolek ist einer der wenigen, die sich den Neonazis am Samstag in den Weg stellten. „Karlsbad ist nicht für Nazis“ hatte er auf sein selbstgemachtes Kostüm aus Bettlaken geschrieben. Kolek hatte einen Protestaufruf per Facebook gestartet, etwa 60 Gegendemonstranten waren gekommen. Sie hielten Schilder, auf denen „Warschau“, „London“ und „Moskau“ stand – Städte, die von Hitlerdeutschland bombardiert worden waren. Als die drei Busladungen deutscher Neonazis eintrafen, skandierten sie auf Deutsch „Nazis raus!“. Aber es waren zu wenige. Nach einer halben Stunde mussten sie die Neonazis ziehen lassen.
Der „Trauermarsch“ sei ordnungsgemäß angemeldet worden, teilte Bürgermeister Petr Kulhánek auf Anfrage mit. Zur Protestaktion war er nicht anwesend – er sei auf einem Außentermin, hieß es. Die Stadt könne eine Demo verhindern oder Auflagen erteilen, wenn sie Hinweise auf faschistische Propaganda findet, entgegnete Jiří Kolek. „Hätten sie sich ein wenig Mühe gemacht, hätten sie sie gefunden.“
Tatsächlich leben in Karlsbad zwei wichtige Verbindungspersonen der tschechischen Kameradschaftsszene, die der verbotenen Neonazi-Gruppierung „Národní odpor“ („Nationaler Widerstand“) zugerechnet werden. Die Internetseite antifa.cz informierte darüber bereits am Montag vorvergangener Woche. Beide geleiteten am Samstag die deutsche Delegation zum Startpunkt des Trauermarschs. Aus Deutschland in die einst sudetendeutsche Stadt mobilisiert hatten die aus einer NPD-Abspaltung entstandene Partei „Der III. Weg“ sowie das „Freie Netz Süd“. Die Redner auf der Kundgebung gelten unter Beobachtern als übliche Verdächtige: Matthias Fischer vom grenzüberschreitenden Neonazi-Netzwerk „Deutsch-Böhmischer Freundeskreis“, Tony Gentsch vom „Freien Netz Süd“ und die als „freie Nationalistin“ angekündigte Tschechin Lucy Šlegerová, die schon häufig als Rednerin in Deutschland auftrat. Auch ein Vertreter der „Ungarischen Morgenröte“ hatte gesprochen.
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