Kaum Widerstand gegen CETA
Die tschechische Regierung hat das Freihandelsabkommen mit Kanada bereits gebilligt. Kritische Stimmen gegen die Verträge sind hierzulande selten
19. 10. 2016 - Text: Katharina HaaseText: Katharina Haase, Foto: Uschi Dreiucker/pixelio.de
Štěpán Macek ist ein junger Bauer aus der Region Zlín, der einen Hof mit rund 100 Hektar Land bestellt. Er vertritt eine klare Meinung zum Freihandelsabkommen CETA: „Ich bin ein absoluter Gegner dieses Vertrags.“ Für besonders problematisch hält er, dass der Schutz des europäischen Agrarmarktes „gezielt abgebaut“ werde. „Die Gesetzmäßigkeiten der verschiedenen Märkte passen einfach nicht zusammen“, so Macek. Wie er fürchten auch anderswo in Europa kleine und mittelständische Unternehmen große Nachteile, wenn am 27. Oktober die Europäische Union und Kanada das umstrittene Abkommen unterzeichnen. Und dass dies geschieht, gilt als sehr wahrscheinlich – trotz teilweise heftiger Proteste in ganz Europa. In Tschechien ist die Skepsis nicht so groß. Anti-Freihandels-Aktionen sind selten, der Widerstand der Bürger gering. Im politischen Tagesgeschäft beziehen einzig die Piraten vehement Stellung gegen die geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA (TTIP).
Die tschechische Regierung hat CETA bereits am Mittwoch vergangener Woche gebilligt. Sie geht davon aus, dass sich das Abkommen positiv auf den Export auswirkt, und zwar vor allem von Bahngleisen, Reifen, Erzeugnissen aus Stahl und Eisen und Werkzeugmaschinen. „Großes Potenzial bietet sich besonders für Baudienstleistungen, Dienstleistungen in freien Berufen (vor allem Architekten und Ingenieure), IT-, Umwelt- und Transportdienstleistungen“, heißt es in einer Regierungsvorlage. Wenn das Abkommen in Kraft tritt, werden 99 Prozent der Zölle auf Industrieerzeugnisse entfallen. Auch der Export von Lebensmitteln – unter anderem Milch, Schokolade und Mineralwasser – soll durch CETA einfacher werden.
Komplexes Vertragswerk
„CETA an sich ist nicht das Problem, sondern die mangelnde Transparenz“, betont Mikuláš Peksa, der bei der Piratenpartei für internationale Angelegenheiten zuständig ist. „Wäre das Abkommen unterteilt in mehrere kleine Verträge, dann sähe die Situation anders aus. Aber dieses Vertragswerk bündelt zu viele verschiedene und komplexe Sachverhalte, als dass man sich einen klaren Überblick verschaffen könnte.“ Wer CETA ablehnt, beruft sich meist auf die umstrittenen juristischen Rahmenbedingungen. Wer CETA befürwortet, kann seit Beginn des Jahres auf das nun überarbeitete rechtliche Grundgerüst des Abkommens verweisen. Das bisher vorgesehene juristische Verfahren geheimer Schiedsgerichte soll ersetzt werden durch weitgehend öffentliche Verhandlungen. Das soll der Forderung nach Transparenz entgegenkommen.
Kritiker wie die Berliner Nichtregierungsorganisation PowerShift sehen aber nach wie vor eine hohe Gefahr, dass Konzerne Staaten verklagen könnten, wenn sich etwa ein neues Gesetz abzeichnet, das den Interessen einer Firma zuwiderläuft. Ein Moratorium, wie es die Tschechische Republik zum Beispiel 2012 gegen die Schiefergasbohrungen erlassen hat, weil sie von der Sicherheit des Fracking-Verfahrens nicht überzeugt war, könnte sich dann als rechtlich unhaltbar erweisen.
Auch dass das Abkommen nun – anders als ursprünglich vorgesehen – doch von den nationalen Parlamenten der EU-Staaten ratifiziert werden soll, hat einen Haken: „Der Vertrag muss zwar von den Parlamenten genehmigt werden“, so Peksa, allerdings werde das Abkommen bereits in Kraft gesetzt, während dieser Prozess noch andauere.
Unklarer Mehrwert
In der tschechischen Öffentlichkeit wurde vergleichsweise wenig über das Abkommen diskutiert. „Man interessiert sich viel mehr für nationale Politik als für einen so komplexen internationalen Vertrag“, sucht Peksa nach Gründen. Vilém Semerák vom Wirtschaftsinstitut der Akademie der Wissenschaften hat dafür noch eine andere Erklärung: „Tschechien exportierte im Jahr 2015 insgesamt 0,17 Prozent der Handelswaren nach Kanada.“ Zum Vergleich nennt er die Zahlen für Deutschland. Dort wurden immerhin 0,84 Prozent der Waren ins nordamerikanische Land exportiert. Beim tschechischen Import sind die Zahlen noch geringer – nur 0,12 Prozent kommen laut Semerák aus Kanada.
Angesichts solcher Zahlen stellt sich die Frage, welchen Mehrwert CETA für Tschechien überhaupt bringen könnte. Das Ministerium für Industrie und Handel beantwortet sie mit der Prognose eines schnellen Wachstums der Handelsbilanz. Der Warenaustausch zwischen der EU und Kanada steige voraussichtlich um 22,9 Prozent. Diese Angaben gelten allerdings für die gesamte Union und wurden nicht auf Tschechien umgerechnet. Außerdem sind sie drei Jahre alt. Bereits im Oktober 2013 schrieb die Europäische Kommission in einem Memorandum, CETA werde „den Handel mit Waren und Dienstleistungen deutlich ankurbeln und neue Investitionsmöglichkeiten schaffen“. Der durch das Abkommen erweiterte Markt werde die Position europäischer Exporteure und Investoren in Kanada stärken. „Mit der Umsetzung des Abkommens dürfte das bilaterale Handelsvolumen bei Waren und Dienstleistungen um 22,9 Prozent, das heißt 25,7 Milliarden Euro steigen.“
Eine zuverlässige Prognose, wie sich CETA konkret auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Tschechien auswirken wird, wagt Semerák nicht abzugeben. Bauer Macek bleibt skeptisch: „Was den Umgang mit Pestiziden und Pflanzenschutzmittel angeht, kämen unweigerlich neue, niedrigere Standards ins Land“, schätzt er. Der Landwirt sieht darin konkrete Nachteile und fürchtet eine Verschlechterung für sich, seine Tiere und die Umwelt.
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