Kein Geld für Tschechien
Im Entschädigungsprozess gegen ehemalige Kohle-Manager geht Prag leer aus
5. 12. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: CzechCoal
Es ist keine zwei Monate her, da das Bundesstrafgericht im schweizerischen Bellinzona fünf ehemalige tschechische Manager zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt hat. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Angeklagten im Zuge der Privatisierung des Kohlekonzerns Mostecká uhelná společnost (MUS) Gelder in Milliardenhöhe unterschlagen und diese dann in der Schweiz gewaschen haben. Die eidgenössischen Behörden haben im Zuge dieses Prozesses etwa 660 Millionen Schweizer Franken beschlagnahmt.
Bei dem nun in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren sollte die Frage beantwortet werden, was mit dem beschlagnahmten Geld geschieht und wer als Konsequenz des zuvor gesprochenen Urteils Anspruch auf Entschädigung hat. Der am Freitag vergangener Woche gefällte Entscheid sorgt nun bei einigen für lange Gesichter: Sowohl der tschechische Staat als auch der MUS-Rechtsnachfolger Czech Coal Service (CCS) gehen zunächst leer aus. Der Vizepräsident des Bundesstrafgerichts Jean-Luc Bacher wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der dem tschechischen Staat zugefügte Schaden nur geschätzt werden könne und der Versuch einer genauen Bezifferung „unangemessene Anstrengung“ erfordert hätte. Tschechien stehe es jedoch frei, Entschädigungsansprüche zivilrechtlich geltend zu machen. Im Falle der CCS kritisierte der Richter, dass die Berechtigung der Ansprüche mangelhaft belegt wurde, zudem zweifelte das Gericht eine direkte Kontinuität zwischen MUS und CCS an.
Zahlreiche Beobachter werten das Urteil auch als eine Folge der bisherigen Passivität Tschechiens in der Sache. Anstatt als aktiver Nebenkläger aufzutreten, hat Prag sich in vornehmer Zurückhaltung geübt, Fristen verstreichen lassen, auf Schweizer Anfragen nicht geantwortet. Das mangelnde Interesse an einer Aufarbeitung des Privatisierungsskandals bestehe womöglich auch darin, dass mutmaßlich auch Spitzenpolitiker in die Causa verwickelt gewesen sein sollen.
Immenser Schaden
In Prag ist man mit dem Urteil zufrieden: „Wir begrüßen die Entscheidung. Der Tschechischen Republik ist zwar ein immenser Schaden entstanden, gleichzeitig bleiben jedoch Wege offen, diese Beträge zurückzubekommen“, kommentierte Rechtsanwalt Roman Pečenka von der Kanzlei PRK Partners, die Tschechien vertritt, das Urteil. Prag habe nun fünf Jahre Zeit, seine Ansprüche geltend zu machen, so Pečenka. Und dies werde auch geschehen: „Über die weitere Vorgehensweise wird nach juristischer Analyse entschieden. Das Finanzministerium wird jedenfalls alle Mittel des Schweizer Rechts nutzen, um die berechtigten Interessen der Tschechischen Republik zu schützen“, sagte Ministeriumssprecher Ondřej Šrámek.
Auf großes Unverständnis stieß das Urteil erwartungsgemäß bei den Verteidigern der Verurteilten. Vor allem dass die Schweiz mehr Entschädigung verlange, als insgesamt an Geldern beschlagnahmt wurde, „bestätige die Tatsache, dass der ganze Prozess mit einen einzigen Ziel konstruiert wurde: nämlich Geld tschechischer Bürger zu Gunsten von Schweizer Bürgern zu konfiszieren“, so Anwältin Karolína Zelenková.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Angeklagten können innerhalb von 30 Tagen Berufung einlegen.
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