Keine Schonfrist
Regierung und Opposition liefern sich vor der Vertrauensabstimmung einen ersten großen Schlagabtausch
19. 2. 2014 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: ČTK/Michal Kamaryt
Als am Dienstag dieser Woche die neue Regierung aus ČSSD, ANO und KDU-ČSL vor das Parlament trat, um sich das Vertrauen aussprechen zu lassen, blieben die tschechischen Abgeordneten einer geliebten Tradition treu. Noch bevor dem Kabinett überhaupt das Vertrauen ausgesprochen wurde, nutzten die Parlamentarier die auf 10 Uhr angesetzte Debatte in zahlreichen Redebeiträgen zu einer ausführlichen Stellungnahme. Die Betonung liegt auf ausführlich: Als gegen 21.15 Uhr die TOP-09-Abgeordnete Jitka Chalánková ans Rednerpult schritt, standen noch weit über ein Dutzend weiterer Redebeiträge an, sodass mit der eigentlichen Vertrauensabstimmung erst in den späten Nachtstunden oder am nächsten Tag zu rechnen war.
Da die Dreierkoalition jedoch über eine sichere Mehrheit im Parlament verfügt, besteht an ihrem Abstimmungserfolg kein Zweifel. Es war dennoch interessant, die vorhergehende Debatte zu beobachten, da sie einen Eindruck davon gab, womit in der kommenden Legislaturperiode zu rechnen ist. Ein deutliches und aktives Zeichen setzte diesbezüglich Präsident Miloš Zeman, der selbst mit einem knapp 45-minütigen Beitrag vor die Parlamentarier trat – ein legitimer, aber für den tschechischen Parlamentarismus eher ungewöhnlicher Schritt. Zeman ließ es sich dann auch nicht nehmen, einzelne Punkte der Regierungserklärung einer deutlichen Kritik zu unterziehen, wobei vor allem Premier Bohuslav Sobotka (ČSSD) zahlreiche Seitenhiebe einstecken musste, die der Präsident in gewohnt jovial-süffisanter Art als „freundschaftliche Ratschläge“ verstanden wissen wollte.
Einen Vorgeschmack darauf, wie rau der Ton zwischen Regierung und Opposition werden könnte, gaben dann vor allem Finanzminister Andrej Babiš (ANO) und sein Vorgänger Miroslav Kalousek (TOP 09). Während Letzterer Babiš unter anderem der „üblen Nachrede“ und „offensichtlicher Lüge“ bezichtigte, wurde Kalousek vom ANO-Chef als „eine Symbolfigur der Korruption“ beschimpft.
Die allgemeine Kritik der Opposition, die Regierung mache vage Versprechen, ohne Klarheit über die Finanzierung zu haben, konnten die Regierungsvertreter indes nicht überzeugend widerlegen. Immerhin versprach Premier Sobotka, demnächst einen Gesetzgebungsplan vorzulegen, in dem konkrete Termine und Zahlen genannt werden. Dann wird sich zeigen, ob das Regierungsprogramm, wie ODS-Chef Petr Fiala es ausdrückte, nicht nur ein „Traum ist, aus dem es ein böses Erwachen geben wird“.
Eines ist nach diesem ersten Schlagabtausch klar: Die übliche 100-Tage-Schonfrist wird es für Sobotka nicht geben. Er muss liefern, und zwar so schnell wie möglich.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“