Klaus bleibt sich treu
Alt-Präsident fordert Tschechiens Austritt aus der Europäischen Union
9. 10. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: APZ
Václav Klaus hat mit seinem neuen Buch („Tschechien am Scheideweg – Zeit der Entscheidung“ („Česká republika na rozcestí: Čas rozhodnutí“) für reichlich Diskussionen gesorgt. Und das bereits bevor es erschienen ist. In einem Interview mit der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ entzündete das ehemalige Staatsoberhaupt ein erstes Feuerwerk, das die breite Öffentlichkeit in den nächsten Tagen in Ruhe „genießen“ kann. Seinem Land würde es besser gehen, wenn es aus der Europäischen Union austräte, lautet eine der provokantesten Thesen des 230 Seiten umfassenden Pamphlets.
Eingedenk seiner kritischen Haltung zu Europa, mit der er während seiner Präsidentschaft vor allem im Ausland für Furore sorgte, sollte dieser Vorschlag niemand ernsthaft überraschen. Dennoch fielen die Reaktionen darauf eindrucksvoll aus: Nahezu jede Partei, die derzeit um Volkes Stimme kämpft, nutzte die Gelegenheit und bezog dazu Stellung. Das einhellige Urteil der Spitzenpolitiker: Ein EU-Austritt kommt nicht in Frage.
„Von einem anderen Stern“
Die Forderung des Alt-Präsidenten bezeichneten die Sozialdemokraten als einen „Weg in die Bedeutungslosigkeit“. Die Spitzenkandidatin der Bürgerdemokraten Miroslava Němcová erkennt in dem Staatenverbund zwar „wuchernde bürokratische Strukturen“, doch sei die EU-Mitgliedschaft ohne Alternative. Tschechien würde sich nach einem Austritt „in einem Vakuum wiederfinden und sich wahrscheinlich dem Osten annähern“, fürchtet Němcová.
Der ehemalige Finanzminister und stellvertretende Vorsitzende der Partei TOP 09 Miroslav Kalousek sieht „den effektivsten Schutz nationaler Interessen innerhalb einer Diskussion mit dem europäischen Hauptstrom“ und lehnt einen Austritt genauso vehement ab wie Grünen-Chef Ondřej Liška. Der hält eigenen Worten zufolge den Druck der EU für dringend notwendig. „Auch was die Korruption oder eine verbesserte Gesetzgebung betrifft.“
Deutliche Worte fand der Unternehmer und Vorsitzende der politischen Bewegung ANO Andrej Babiš: „Es scheint als komme der Herr Professor (gemeint ist Václav Klaus, Anm. d. Red.) von einem anderen Stern und habe dieses Land nicht 21 Jahre lang grundsätzlich negativ beeinflusst. Ich denke, in Brüssel stehen wir wie Dummköpfe da. Die EU hat viele negative Seiten, aber wir sollten darum kämpfen, dass sich das ändert.“
Selbst wenn Klaus innerhalb der politischen Elite isoliert wirkt und sich aus der aktiven Politik mit dem Ende seiner Präsidentschaft zu Beginn dieses Jahres zurückgezogen hat, seine Worte bleiben – so zeigen es die stürmischen Reaktionen – nicht ohne Widerhall. Sein Nachfolger auf der Prager Burg Miloš Zeman stellte klar: „Klaus sollte anerkennen, dass es ein Phänomen gibt, das sich europäische Kultur nennt.“
Neben den kritischen Stimmen gesellen sich jedoch auch solche, die der negativen Haltung gegenüber der EU etwas Positives abgewinnen. Ein Kommentator der slowakischen Tageszeitung „Pravda“ mahnte etwa, „es wäre kontraproduktiv, die Worte von Václav Klaus einfach nur zu verurteilen. Auch wenn die EU ein tadelloses Projekt wäre – und wir wissen, das ist nicht der Fall – braucht sie eine Opposition. (…) Es muss auch diese Kritiker geben, die an die Mängel und Unvollkommenheit des europäischen Gedankens erinnern.“
ODS? Besser nicht!
Das neue Buch von Václav Klaus wird aller Voraussicht nach kein Ladenhüter werden. Schließlich hat die Öffentlichkeitsarbeit funktioniert und die Aversion gegen die EU kommt in der breiten Bevölkerungsschicht noch immer gut an. Der Vorschlag eines EU-Austritts ist nur ein erster Vorgeschmack auf die im Buch geäußerten, mitunter hochaktuellen Ansichten. So schimpft Klaus nicht nur über die von Brüssel verursachten Regulierungen oder den Kompetenzverlust tschechischer Politiker.
Er präsentiert auch seine Ideen zur Lösung gegenwärtiger politischer und wirtschaftlicher Probleme: Staatliche Institutionen sollen aufgelöst, das Wahlsystem geändert, die Staatsausgaben weitreichend gedrosselt werden. Auch erteilt Klaus den Lesern Ratschläge, wie sie sich bei den anstehenden Parlamentswahlen verhalten sollten. Die Parteien des rechten Lagers würden dabei eine „tragische Niederlage“ erleben. Über seine von ihm 1991 gegründete ODS schreibt Klaus: „Angesichts dessen, wie sich diese Partei entwickelt hat, kann ich niemand empfehlen, sie zu wählen.“
Wenn sein Buch an diesem Donnerstag offiziell erscheint, weilt Klaus bereits in den Vereinigten Staaten. Unter anderem will er an einem College im US-Bundesstaat Michigan einen Vortrag halten. Das Thema: „Europa und Amerika – Unsere gemeinsame Krise“. Dass er dabei seinem Ruf als EU-Kritiker einmal mehr gerecht werden wird, gilt als sicher.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“