Kleine Kinos vor dem Aus
Viele Gemeinden können sich die Umstellung auf Digitaltechnik nicht leisten
21. 2. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: M. Strachonň/Wikimedia
2,5 Millionen Kronen (etwa 100.000 Euro) sind für eine kleine Stadt wie Heřmanův Městec eine Menge Geld. Zu viel jedenfalls, um diesen Betrag einfach so für die Digitalisierung des städtischen Kinos bereitzustellen. Es bedurfte daher mühevoller Überzeugungsarbeit, um die Stadtverordneten zu einem positiven Votum zu bewegen. „Zum Schluss lief es auf ein ganz einfaches Argument hinaus: entweder Digitalisierung – oder kein Kino“, erläutert Dalimil Nevečeřal, der den Kinobetrieb in dem 5000-Einwohner-Ort organisiert und leitet. Einen möglichen Verlust des 1921 gegründeten Traditionskinos wollte die Mehrheit der Stadtverordneten dann doch nicht hinnehmen und bewilligte die Modernisierung. Die Existenz des „Kino Mír“ ist vorerst gesichert.
Das Beispiel Heřmanův Městec ist jedoch nicht die Regel. Viele kleine Lichtspielhäuser stehen aufgrund der Digitalumstellung vor dem Aus. Tschechien, dem Land mit der größten Leinwand-Dichte Europas, droht ein großes Kinosterben. Die allermeisten der 426 Kinos werden von den Kommunen betrieben – und die können sich eine Umrüstung oft nicht leisten. Diese ist jedoch Voraussetzung für den Vorführbetrieb: Seit Anfang dieses Jahres vertreiben die Verleihgesellschaften ihre Filme ausschließlich im digitalen Format. Wer nicht umstellt, wird also auch keine neuen Filme zeigen können.
Die offiziellen Zahlen geben folglich keinen Anlass für Optimismus. Bis Mitte Februar haben lediglich 155 der 426 Kinos auf digital umgestellt. Nicht eingerechnet sind hier die 27 tschechischen Multiplex-Kinos, die über 214 digitalisierte Säle verfügen. Geht man von der absoluten Minimalausstattung aus, kostet die Umstellung auf digitale Technik etwa 1,5 Millionen Kronen. Für die Standardversion mit Rechner, dazugehöriger Software sowie Digitalsound muss man bereits rund 2,5 Millionen Kronen ausgeben. Eine Summe, die viele Gemeinden nicht aufbringen können. Da helfen selbst Zuschüsse des staatlichen Filmfonds nicht, zumal dieser aufgrund von Mittelkürzungen seine Unterstützung deutlich drosseln musste. Mancherorts setzt man aber auch ganz einfach andere Prioritäten: Im ostböhmischen Holice zum Beispiel muss das Holub-Museum renoviert werden, ein städtisches Aushängeschild. Auch das Kulturhaus braucht ein neues Dach. Für das Kino bleibt dann nichts mehr übrig.
Ohne digital keine Filme
„2012 gab es kaum Kino-Schließungen, es waren noch genügend Filme im 35-Millimeter-Format vorhanden. Dieses Jahr müssen wir aber mit einer deutlichen Reduzierung vor allem in kleineren Städten und Gemeinden rechnen“, bestätigt Jaroslav Pecka von der Union der Filmverleiher. Wie viele Kinos konkret die Pforten schließen werden, sei allerdings schwer abzuschätzen. Die Gemeinden möchten die Kinos oft erhalten, zum Beispiel für Schulvorführungen. „Wenn die Kinobesitzer, also meistens die Städte, kein Geld investieren, wird es auch nichts zum Vorführen geben. Eine Möglichkeit wären DVD- und BR-Disk-Projektionen, aber dort hält sich das Angebot in Grenzen“, so Petr Vítek von der Vereinigung Pro-Digi. Im Kulturministerium sieht man die Situation entspannter: „Kinos, die jeden Tag spielen, sind bereits digitalisiert. Kleinere Kinos sind teilweise digitalisiert. Diese kleineren Häuser waren auch nie Premieren-Kinos, sie erfüllen im Rahmen der Gemeinde weitergehende Funktionen als Kultureinrichtung und Versammlungsort“, so Kateřina Vojkůvková, die im Kulturministerium für Medien und Audiovision zuständig ist.
Kinochef Dalimil Nevečeřal aus Heřmanův Městec, Mitglied im Verband der Kinobetreiber, ist da skeptischer. „Das tschechische Kinonetz wird deutlich ausgedünnt. Ich denke, dass die Hälfte aller Häuser dichtmachen wird.“ Das bedauert er einerseits, andererseits könne man den technischen Fortschritt nicht aufhalten: „Die Digitalisierung hat fast nur Vorteile, einwandfreies Bild, toller Sound, 3D. Und vor allem kann ich mein Programm frei gestalten. Früher musste ich auf die Kopie des neuesten Kassenknüllers wochenlang warten. Jetzt bekomme ich die neuen Streifen sofort.“ Trotz gestiegener Eintrittspreise verzeichnet Nevečeřal einen deutlichen Zuschauerzuwachs. „Wir haben 30 Prozent mehr Besucher. Man sieht, die Digitalisierung wird positiv aufgenommen.“ Ein bisschen Nostalgie verspürt er dennoch: „Die digitale Technik ist wie eine kalte, perfekt laufende Maschine. Mit der Kinoromantik vergangener Tage hat das nichts mehr zu tun.“
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