Kleine Wall Street Warschau
Die dümpelnde Prager Börse könnte im florierenden Parkett der polnischen Hauptstadt aufgehen
5. 6. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: nw/čtk; Foto: BlatantWorld.com
Eine gemeinsame mitteleuropäische Börse als ernstzunehmender Gegenspieler der Börsen in Frankfurt oder London? Diesen Gedanken hatte Miloš Zeman vor knapp zwei Wochen bei seinem Staatsbesuch in Warschau eingeworfen. „Ich möchte eine Fusion beider Börsen zu einer vorschlagen, mit Sitz in Warschau.“ Zeman ließ sich von Polens Präsident Komorowski informieren, dass die Warschauer Börse prosperiere und sogar schon die Leistung der Wiener Börse übertroffen habe. „Die Prager Börse aber verfällt. Weniger wegen des fehlenden Kapitals als vielmehr wegen des Mangels an gutem Management“, sagte der tschechische Präsident.
Was Zeman einwirft, ist nicht neu. Die Prager Börse gilt als „Mauerblümchen“, wie die „Neue Zürcher Zeitung“ kürzlich schrieb. Es fehle ihr an Liquidität. Lediglich 28 Unternehmen sind dort notiert, vier von ihnen sind für 90 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Es sind die üblichen Verdächtigen: der Energiekonzern ČEZ, zu 70 Prozent in staatlicher Hand, der Mobilfunkanbieter Telefónica, die Erste Bank sowie die Komerční banka. Nach der Eröffnung 1993 bis Mitte der 90er Jahre wurden einmal über 1.700 Titel gehandelt. Der PX-Index war damals bei 1.000 Punkten gestartet, hatte in seinen besten Zeiten nach dem EU-Beitritt 2004 1.908 Punkte. Inzwischen ist der Index unter den Anfangswert gesunken. Am vergangenen Dienstag schloss er bei 967 Punkten. Zum Vergleich: der Warschauer Index schloss am gleichen Tag mit 2.461 Punkten. 440 Unternehmen sind dort notiert.
Drei Standorte schwächeln
Der Direktor der Prager Börse Petr Koblic entgegnete auf Zemans Kritik: „Nicht die Börse selbst bringt Firmen an die Börse, sondern ihre Eigentümer.“ Zeman habe in seiner Zeit als Premierminister die Börse nicht einmal zur Privatisierung staatlicher Konzerne genutzt, ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen in Warschau, die im Rahmen von Privatisierungen jedes Jahr zwei bis drei staatliche Firmen am Markt platzieren. Das begründe den unterschiedlichen Zustand beider Wertpapiermärkte, so Koblic.
Tatsächlich wird über eine Fusion der Börsen von Prag, Wien und Ljubljana mit der Börse in Warschau schon seit einigen Monaten verhandelt. Das bestätigte auch der Börsenchef Koblic. Die ersten drei gehören alle dem Konzern CEE Stock Exchange Group an und sind alle erfolgloser als Warschau. Der Wertpapierhandel zuletzt an allen drei Standorten stark zurück. Der Analyst David Marek meint, eine Zusammenlegung sei für einige Standorte die einzige Möglichkeit zu überleben.
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