Koalition rettet sich in nächste Runde

Koalition rettet sich in nächste Runde

VV-Partei löst Regierungskrise aus – Einigung auf härteren Sparkurs

14. 5. 2012 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: APZ

Tschechiens Regierung hat eine weitere Krise überstanden. Eine ganze Woche lang stand hinter dem Fortbestand der Koalition von ODS, TOP 09 und VV ein großes Fragezeichen. Nach stundenlangen Verhandlungen zwischen den Parteispitzen konnte Premierminister Petr Nečas (ODS) am späten Dienstagnachmittag schließlich Entwarnung geben: Man habe sich auf weitere Sparmaßnahmen geeinigt, eine maximale Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren 2013 und 2014 sei vorerst gesichert. Die hatten vor allem Nečas’ Bürgerdemokraten und Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09) zur Bedingung für eine Weiterführung der Mitte-Rechts-Koalition gemacht.

Ausgelöst hatte den Streit jedoch die kleinste der drei Regierungsparteien „Věci veřejné“ („Öffentliche Angelegenheiten“, VV). Am Dienstag vor einer Woche hatte das Parteigremium seine vier Minister zum Rücktritt aufgefordert, falls die Koalitionspartner nicht ihren Vorstellungen eines überarbeiteten Regierungsprogramms gerecht werden. Ein Dorn im Auge waren der VV-Partei vor allem geplante Kürzungen im Budget des Bildungsministers. Dessen Posten ist seit dem Abdanken von Josef Dobeš vakant und sollte erst nach Beilegung der Regierungskrise neu besetzt werden – offiziell verließ Dobeš seinen Posten wegen der geplanten Einsparungen, seine Arbeit am Bildungsministerium war allerdings von zahlreichen Skandalen begleitet. Weitere Forderungen der VV: ein Ende der Personalkrise bei der Obersten Staatsanwaltschaft und die Auflösung einer Korruptionsaffäre um die staatliche Forstverwaltung.

Die letzte Chance

TOP 09 und ODS zeigten sich von der „Erpressungstaktik“ der kleinsten Koalitionspartei sichtlich überrumpelt. Kalousek dachte im Gespräch mit der Tageszeitung „Lidové noviny“ über eine Koalition mit den Sozialdemokraten nach und Neuwahlen wurden vorläufig auf Ende Juni angesetzt.

In den folgenden Tagen wirkte die VV-Partei eingeschüchtert und unentschlossen: Verkehrsminister Pavel Dobeš schloss seinen Rücktritt kategorisch aus, der stellvertretende Parteivorsitzende und Initiator der VV-Rebellion Tomáš Jarolím legte sein Amt nieder, Vize-Premierministerin Karolína Peake appellierte an ihre Parteikollegen: Man solle nicht auch noch „die letzte Chance“ in der Regierung vermasseln. Die Partei, deren inoffizieller Chef Vít Bárta seit mehr als einem Monat wegen Korruptionsverdacht vor Gericht und auf den Titelseiten der Tagespresse steht, wirke laut Peake aggressiv, unerfahren und unüberlegt.

Und so stellten vor den Verhandlungen am Dienstag vor allem ODS und TOP 09 die Bedingungen. VV-Vorsitzender Radek John zeigte sich nach der Beilegung des Streits dennoch zufrieden: Der Aufruhr in seiner Partei sei vor allem eine Reaktion auf die unzureichende Kommunikation zwischen den Koalitionspartnern gewesen. Hier sei man nun auf einem guten Weg.

Ergebnis der Verhandlungen sind vor allem weitere Sparmaßnahmen. Bereits am Dienstagmorgen einigten sich die Minister auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuersätze um je einen Prozentpunkt auf 21 und 15 Prozent. Beschlossen wurde auch die Einführung einer Reichensteuer und eine geringere Erhöhung der Renten um je ein Drittel der Inflationsrate und ein Drittel des Lohnwachstums. Aus dem Koalitionsvertrag werden diejenigen Punkte gestrichen, die in der aktuellen Amtsperiode nicht zu bewältigen sind – ein Beispiel ist die Einführung von Studiengebühren. Von einer durch die ODS vorgeschlagenen Auflösung der Ministerien für Umwelt, Kultur und regionale Entwicklung ist die Koalition allerdings abgekommen.

Erwarteter Emotionsausbruch

Ob die Dreierkoalition nun bis zu den Wahlen 2014 durchhält, bleibt abzuwarten. Einer Umfrage der Agentur STEM/MARK zufolge wünschten sich in der vergangenen Woche ganze 55 Prozent der Tschechen ein vorzeitiges Ende der Mitte-Rechts-Koalition. Zudem scheinen die Bürgerdemokraten schon mit einem „emotionalen Ausbruch“ – so nannte John die VV-Rebellion am Dienstag – der kleinsten Koalitionspartei gerechnet zu haben. Im Interview mit der Zeitung „Mladá fronta Dnes“ gab Nečas zu, dass seine Bürgerdemokraten schon zwei Wochen vor der Regierungskrise damit begonnen hatten, sich auf Neuwahlen vorzubereiten. Ob die Vorkehrungen für den Fall des Koalitionsbruchs gestoppt wurden, blieb am Dienstag offen.