Kommentar: Beispiellose Verquickung
Babiš macht vor allem Politik für Babiš
18. 12. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText und Foto: Martin Nejezchleba
Auf 50 Seiten könne man nun einmal nicht bei jedem Punkt ins Detail gehen. So die einhellige Antwort der Koalitionsparteien auf die Kritik der Bürgerinitiative „Rekonstrukce státu“ („Rekonstruktion des Staates“). Dem Zusammenschluss von NGOs gefällt nicht, dass bei den von ihnen vorgeschlagenen Gesetzesentwürfen zur Korruptionsbekämpfung entscheidende Passagen im Koalitionsvertrag ausgelassen wurden. ANO ist eine Protestpartei; der Korruption an den Kragen zu wollen, gehört da im Wahlkampf zum guten Ton.
Nun scheint es auch für die Milliardärspartei plötzlich wichtigere Dinge zu geben. Die Gesetzesentwürfe zur Rekonstruktion des Staates hatte man sich dankbar auf die Fahnen geschrieben. Um ein eigenes Programm zu verfassen, dafür war ohnehin kaum Zeit. An anderen Stellen allerdings scheint genügend Platz für die Wünsche von Andrej Babiš geblieben zu sein. Die Regierung werde sich dafür einsetzen, dass Tschechien in Zukunft unabhängig von Lebensmittelimporten würde. Und auch für eine größere staatliche Unterstützung der Landwirte, vor allem der Großmastbetriebe, solle gesorgt werden.
All das sind Pläne, die möglicherweise in manchen Regionen Arbeitsplätze schaffen, mit Sicherheit aber spielen sie dem größten Lebensmittelkonsortium des Landes, Babišs Agrofert, in die Tasche. Nachdem die Interessenskonflikte zwischen Babiš dem Unternehmer und Babiš dem Abgeordneten vor den Wahlen noch für reichlich Zündstoff in den Medien gesorgt hatten, scheint heute kein Hahn mehr danach zu krähen – weder beim Großteil der Journalisten noch in der Opposition und schon gar nicht in der entstehenden Regierung. Einserseits verständlich: Nach einem turbulenten Politjahr scheinen sich alle nach weihnachtlicher Ruhe zu sehnen. Eine unnötige Verlängerung der Amtszeit von Zemans Beamtenregierung ist für die meisten auch keine angenehme Aussicht.
Und dennoch: Die Tschechen werden Zeuge einer beispiellosen Verquickung von medialer, wirtschaftlicher und politischer Macht. Die Koalitionspartner sollten keinen Augenblick auslassen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Das Verfassen des Koalitionsvertrags wäre eine gute Gelegenheit gewesen. Aber ja, 50 Seiten, da wird der Platz schnell knapp. Der deutsche „GroKo-Vertrag“ ist im Übrigen fast dreimal so lang.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“