Kommentar: Erbe verpflichtet
Prags Kreuz mit der Denkmalpflege
8. 10. 2014 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: M. Nejezchleba
Auf dem Platz Jiřího z Poděbrad in Vinohrady soll ein markanter Granit-Brunnen aus den achtziger Jahren aus dem Prager Stadtbild verschwinden. Kunsthistorisch wird er der Epoche des Sozialistischen Brutalismus zugeordnet. In der Tat wirkt der Wasserspender, der seiner Bestimmung schon lange nicht mehr gerecht wird, alles andere als filigran – ähnlich wie die Plattenbau-Siedlung rund 500 Meter weiter nordöstlich. Diese wurde rund um den Olšanské námestí erbaut, um dem neuen sozialistischen Menschen ein modernes, funktionales Zuhause zu bieten. Die schmucken Gründerzeithäuser, wie sie überall in Žižkov zu sehen waren, standen für bürgerliche Dekadenz und sollten dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Zeitgeist der Machthaber von damals hegte wenig Feingespür für historische Bausubstanz. Nicht zuletzt einer mutigen Initiative der Žižkover Bürger war es zu verdanken, dass dieses Vorhaben nicht flächendeckend in die Tat umgesetzt wurde.
Seit 25 Jahren hat der Realsozialismus und seine architektonische Ästhetik ausgedient. Eine gründliche und nüchterne Aufarbeitung jener Epoche lässt hierzulande immer noch etwas auf sich warten. Pauschal wird von einer Mehrheit der Tschechen alles, was aus jener Zeit stammt, in die politische Schmuddelecke gedrängt. Sie übernimmt so aber einfach den Habitus der ihr so verhassten Partei-Apparatschiks von damals.
Denkmalschutz und -pflege erfordert einen differenzierten Blick auf Wirkung und Bedeutung von tradierter Bausubstanz. Nicht alles ist zwangsläufig schützenswert, nur weil es alt ist, aber trotzdem sollte eine demokratische und aufgeklärte Gesellschaft ihr architektonisches Erbe mit Bedacht beurteilen. Auch wenn es sich wie im oben geschilderten Fall um einen etwas sperrigen und überdimensionierten grauen Granitklotz handelt.
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