Kommentar: Nach Recht und Gesetz
Die Fundamente von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geraten in Gefahr
14. 1. 2015 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: Vratislav Mynář/David Sedlecký
Als sich des Präsidenten Kanzler Vratislav Mynář letzte Woche zahlreicher Anfragen erwehren musste, mit welchem Geld er vor kurzem eine Villa in Prag erwerben und vor allem wie und warum er diesen Kauf zu einem überaus vorteilhaften Preis tätigen konnte, brachte er in seiner ansonsten dürftigen Reaktion natürlich den mittlerweile in solchen Fällen unvermeidlichen Hinweis unter, alles sei nach Recht und Gesetz geschehen. Dieser Refrain „Ich habe gegen kein Gesetz verstoßen“ war seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder zu hören und zu lesen.
Nicht selten auch von weitaus bedeutenderen Figuren als von dem etwas windigen Kanzler Mynář, von Ministern und Premierministern, Amtsleitern und Oberbürgermeistern, hohen Beamten und Geschäftemachern jeglicher Provenienz. Und immer ging und geht es um unerklärliche Gewinne, plötzlichen Reichtum, merkwürdige Finanztransaktionen, nicht nachvollziehbare Vertragsgestaltung oder Auftragsvergabe, wobei meist unerreichbare Auslandskonten – vorzugsweise in paradiesischen Inselstaaten –, undurchsichtige Eigentümerverhältnisse und anonymer Aktienbesitz zu den Ingredienzen gehören. Natürlich sind es die öffentlichen Haushalte, die regelmäßig geschädigt werden, oft unter Einbeziehung Europäischer Fonds. Nur in seltenen Fällen wird die spitzbübische Behauptung, es sei doch kein Gesetz verletzt worden, einer ernsthaften Prüfung durch die Justiz unterzogen. Und nicht wenige dieser Fälle sind Anfang 2013 durch die berüchtigte Amnestie von Václav Klaus unter den Teppich gekehrt worden.
Dies alles führt zu der Frage: Wie oft kann es eigentlich ein demokratisches und rechtsstaatliches Gemeinwesen aushalten, dass sich seine niedrigeren und höheren Repräsentanten dreist vor die Öffentlichkeit stellen und verkünden, offensichtliche Durchstechereien seien vom geltenden Gesetz gedeckt?
Wie lange dauert es, bis der Kredit, den eine Gesellschaft der Rechtmäßigkeit staatlichen, öffentlichen Handelns und seiner grundsätzlichen Gemeinwohlorientierung einräumt, aufgebraucht ist? Ist der Punkt nicht längst erreicht, wo das für einen funktionierenden Rechtsstaat unerlässliche Legalitätsprinzip seine Glaubwürdigkeit allmählich einbüßt und sich zwischen Legalität und Legitimität ein immer tieferer Abgrund auftut?
Beobachten wir nicht schon seit langem die zunehmende Empfänglichkeit breiter Bevölkerungskreise für populistische Bauernfänger und vermeintlich einfache Lösungen? Dabei wäre es gerade bei den jetzt auf nationaler und europäischer Ebene anstehenden Auseinandersetzungen über Toleranz und Solidarität nötiger denn je, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien in der Gesellschaft fest verankert zu wissen. Stattdessen finden wir sie nachhaltig beschädigt von einer zynischen und selbstgefälligen politischen Kaste.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“