Kommentar: Solidarität zeigen
Europa muss Migranten eine Chance geben
9. 4. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: Sara Prestianni/noborder network
Die Tschechoslowakei hat allein in den Jahren zwischen dem Prager Frühling und der Samtenen Revolution an die 150.000 Flüchtlinge produziert. Ich bin einer von ihnen. Rübergemacht haben meine Eltern. Als Dreijähriger konnte ich nicht darüber urteilen, wo ich leben möchte. Aber sicher hätte ich mich für den Ort entschieden, an den meine Eltern gehen wollten. Sie waren keiner politischen Verfolgung ausgesetzt, wurden vom Regime als Zöglinge guter Beamten- und Arbeiterfamilien klassifiziert. Meine Eltern wollten aber, dass ihre Kinder in Freiheit aufwachsen. Und allein die Tatsache, dass ein Staat seinen Bürgern dies verwehrt, macht ihn zu einem Verbrecherstaat.
Meine Eltern traten vor 29 Jahren eine Reise ins Ungewisse an. Für die Republikflucht und die „Entführung“ ihrer eigenen Kinder wurden sie in ihrer Heimat zu drei Jahren Haft verurteilt. Ein Zurück gab es nicht. Nach zwei Jahren Wartezeit wurde uns in Deutschland Asyl gewährt. Für meine Eltern begann damit ein neuer Kampf – der ums finanzielle Überleben und gegen Ausländerfeindlichkeit.
Wenn ich heute die Bilder überfüllter Kähne vor Lampedusa sehe, von aufgedunsenen Leichen, die von den Wellen auf spanische Strände geschwemmt werden, oder Geschichten von Menschen höre, die sich über Tage unter Güterwaggons klemmen um in den Schengeraum zu gelangen, dann gleicht die Geschichte unserer Flucht der eines Familienurlaubs an der kroatischen Adria. Als solcher begann sie tatsächlich auch. Keiner kann mir erzählen, dass Flüchtlinge ihr Leben riskieren und ihre Familien zurücklassen, nur um uns ein Stück europäischen Reichtums abzuknöpfen.
Europa muss diesen Menschen eine Chance auf ein würdiges Leben bieten. Es darf diese Verzweifelten nicht auf ungewisse Zeit in überfüllte Flüchtlingslager pferchen, nur um sie so schnell wie möglich wieder in einen Flieger in Richtung Heimat zu verfrachten. Gerade ein Land wie Tschechien, das selbst tausende Flüchtlingsdramen erlebt hat, muss sich solidarisch zeigen – mit den Migranten ebenso wie mit den Ländern, die mit dem Ansturm von Asylbewerbern nicht fertigwerden.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten