Gastkommentar: Warum der Präsident Grund zum Feiern hat

Gastkommentar: Warum der Präsident Grund zum Feiern hat

Seit fast drei Jahren ist Miloš Zeman Tschechiens Staatsoberhaupt. Anfang Januar hat er das Ende der schlechten Laune verkündet

3. 2. 2016 - Text: Karel SteigerwaldText: Karel Steigerwald; Foto: ČTK/Radek Petrášek

Der Ausdruck „schlechte Laune“ ist in Tschechien eine Art politische Requisite. Einst kam der damalige Präsident Václav Havel damit an – er verwendete ihn als Rammbock gegen seinen Widersacher Václav Klaus. Seitdem hat die „schlechte Laune“ die politische Bühne hierzulande nicht verlassen. Mit Launen, wie Menschen sie haben, hat sie aber nichts gemein. Wer den Ausdruck als politischen Prügel verwendet, erlangt sogleich Vorteile. Man glaubt zum Beispiel, er sei scharfsichtig und könne vorhersagen, was andere noch nicht sehen. Er fürchtet sich nämlich nicht davor, den Bürgern ins Gesicht zu sagen, dass sie schlechte Laune haben.

Weil der Ausdruck im Tschechischen vulgär klingt, passt er gut zum tschechischen Lamentieren. Katastrophale Aussagen sind hierzulande beliebt. Aber völlig ernst nimmt sie niemand. Bei „denen da oben“ löst eine schlechte Laune die andere ab, unten drunter lebt das einfache Volk sein Leben mal so, mal so.

Dem Präsidenten ist die schlechte Laune nun vergangen. Er kann auch zufrieden sein, denn bisher ist ihm alles gelungen. Er hat sich in seinem Amt auf das dünne Eis der Rüpelhaftigkeit begeben und bisher trägt es ihn ganz gut. Ihn trägt aber auch eine ganze Reihe verlogener Behauptungen und Beschimpfungen. Den Wählern versprach er einst, ein Präsident zu werden, der die Menschen vereint. Das hat er mittlerweile verworfen. Als Präsident ist er eher ein Wildschwein. Aber auch damit kommt er ganz gut durch.

Schließlich hat er eine Schar bereits abgeschriebener ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, hoher kommunistischer Funktionäre und zweifelhafter Menschen ohne Sicherheitsüberprüfung um sich vereint und alle zurück ins Leben gebracht. Auch das hat funktioniert. Diese Mischung würzt er nun mit populistischen Lockrufen, Antipathien gegenüber Gebildeten und Sympathien für Schichten, die nicht mehr volkstümlich sind, sondern schon sehr, sehr primitiv. (Boshafte Kommentatoren sprechen ganz zutreffend von Menschen, die „Wirtshäuser der vierten Preiskategorie“ besuchen).

Parallelen zu Schwejk
Präsident Zeman genießt heute einen massiven Rückhalt seitens der Wähler aus den beschriebenen Schichten. Er ist kein politisch isolierter Eigenbrötler. Er ist eine unentbehrliche Figur für Babiš und Sobotka. Der Finanzminister und ANO-Chef will ihn in Zukunft im Ringen um das höchste Amt im Staat überlisten. Der Premierminister versucht gelegentlich erfolglos, Widerstand zu leisten; aber er bekundet damit nur, dass er sich nicht sicher ist, wie viele Sozialdemokraten vom alten Schlag ihm der schlaue Präsident im entscheidenden Moment abluchsen wird.

Dieser Moment wird in ein paar Jahren kommen, wenn die Präsidentschaftswahlen anstehen. Falls Zeman die bunte Koalition seiner Anhänger dazu bewegen kann, zur Wahl zu gehen, dann wird er gewinnen. Vielleicht hat er diese Koalition aber allzu früh geschmiedet. Bevor es zu Wahlen kommt, könnte sie auseinanderfallen; und vielleicht ist es auch eine Koalition von Menschen, die überhaupt nicht zur Wahl gehen.

Der Präsident steht auf dem Gipfel der politischen Beliebtheit. Er ragt auch international hervor. Seine Theorie, dass die Zuwanderung eine zentral gesteuerte Aktion sei, wurde angenommen. Aber nun will man Beweise. Er könnte ja sagen, dass er es bereits bei Peroutka gelesen habe. Diese Methode ist mittlerweile bereits zum festen Bestandteil der Taktik des Präsidenten geworden. Gewöhnlich wirft er aber einfach irgendetwas in die Öffentlichkeit, irgendein Gefasel zum Beispiel. Die Hauptsache ist, es wirkt anziehend, attraktiv und überraschend. Dann wartet er, was es anrichtet. Wenn es nichts Gutes ist, dann hat er noch immer seinen Sprecher Ovčáček, der sich gerne selbst damit salbt. Im Buch über den braven Soldaten Schwejk, der Bibel der tschechischen Lumperei, benutzte der Wirt Palivec eine ähnliche Methode, wenn er sich ins Gespräch einmischen wollte. Aber das wollen wir nicht weiter ausführen, sondern über den Präsidenten schreiben.

Tschechische Unterwürfigkeit
Grund für dessen gute Laune können auch die internationalen Erfolge sein. Er hat seinen Anteil am Schwenk der tschechischen Politik von Westen in Richtung Osten. Wenn das östliche Zarentum wieder bis nach Mitteleuropa vordringt, wird die Tschechische Republik wieder als erstes bereit sein, sich vor den Karren spannen zu lassen. Diese Unterwürfigkeit wusste der Russe immer zu schätzen. Der prorussische Präsident sollte Putins neue Sicherheitspolitik jedoch genau studieren. Es handelt sich dabei um eine neue Form der alten Breschnew-Doktrin. Sie zu respektieren und einzuhalten hat in Tschechien den Beigeschmack der Kollaboration. Das bedeutet, dass es sich nicht um eine Tendenz handelt, die in unserer Politik traditionell üblich ist. Und wie gewöhnlich verbirgt sich alles hinter dem Deckmantel einer angeblich vorteilhaften nach Osten ausgerichteten Wirtschaftspolitik, die den Menschen viel Wohlstand bringt, aber ohne Lobhudelei für östliche Herrscher nicht möglich ist. Auch dieses Maskenspiel gelingt dem Präsidenten.

Warum also ist es vorbei mit der schlechten Laune? Zeman hat eine verständliche Erklärung angeboten: weil wir einen tollen Präsidenten und eine prima Regierung haben. Das ist die volkstümliche Erklärung. Jeder Fuchs lobt seinen Schwanz – auch wenn der Fuchs in diesem Fall ein Dachs aus der Vysočina ist.

 

Karel Steigerwald ist Publizist und Autor von Bühnenstücken und Hörspielen. Er arbeitete für die Tageszeitung „Lidové noviny“, von 1998 bis 2014 war er Kommentator der „MF Dnes“. Dieser Kommentar erschien zuerst im Magazin „Reportér“ vom Januar 2016. Übersetzung: Corinna Anton