„Konservative Wirtschaftstheoretiker können ruhig bleiben“
Carsharing-Pionier Kutáček: Die tschechische Wirtschaft wird die Ökonomie des Teilens nicht verändern
25. 7. 2013 - Interview: Martin Nejezchleba
Carsharing, was in Ländern wie Großbritannien, Spanien oder Österreich bereits weit verbreitet ist, gibt es auch in der mährischen Stadt Brünn offiziell seit zehn Jahren – auf Tschechisch heißt das „Autonapůl“: „halbes Auto“, frei übersetzt. Richtig in Fahrt kommt das gemeinsame Nutzen von Fahrzeugen erst jetzt. Seit wenigen Monaten gibt es geteilte Autos nun auch in Prag und Liberec. Mit dem Gründer von „Autonapůl“, Stanislav Kutáček, sprach PZ-Redakteur Martin Nejezchleba.
Herr Kutáček, Sie haben Tschechiens ersten Carsharing-Dienst etabliert. Wer sind Ihre Kunden?
Stanislav Kutáček: Meistens handelt es sich um junge Famlien mit oder ohne Kinder. Sie haben durchschnittliche oder etwas überdurchschnittliche Einkünfte. Wichtig ist aber, dass es sich um Leute handelt, die das Auto nicht für den täglichen Gebrauch benötigen. Im Alltag kommen sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall dorthin, wo sie hin wollen. Unter unseren Nutzern sind aber auch jüngere Menschen und auch ein paar Rentner.
Warum sollte sich denn jemand, der eigentlich das Geld hat, um sich ein eigenes zuzulegen, ein Auto mit anderen teilen wollen?
Kutáček: Die Frage ist falsch gestellt. Bei unserem Carsharing besitzt das Auto eine juristische Person, die Genossenschaft „Autonapůl“. Entscheidend ist also, dass unsere Kunden kein Auto besitzen und sich damit eine Menge Sorgen ersparen. In großen Städten gibt es zu wenige Parkplätze, allgemein sind die Fixkosten beim Autobesitz auch bei wenigen Kilometern im Jahr hoch. Für Leute, die im Jahr weniger als 10.000 Kilometer fahren, lohnt sich unser Carsharing. Es gibt aber auch Dienste, bei denen Privatpersonen ihre Autos verleihen.
Verfechter konservativer Wirtschaftstheorien könnten dem Konzept der Sharing Economy vorwerfen, dass mit weniger verkauften Autos auch die sowieso schon krisengeschüttelte Wirtschaft leidet. Was sagen Sie dazu?
Kutáček: Zum einen, dass Carsharing aus makroökonomischer Perspektive zu vernachlässigen ist. Zum anderen, was wir an unseren Nutzern sehen: Das Geld, das sie nicht mit dem Kauf von Autos verschwenden, geben sie woanders aus; für Freizeitaktivitäten oder allgemein für anderweitigen Konsum. Klar, ein Teil des Geldes legen sie vielleicht zur Seite. Ich glaube aber, dass die meisten das Geld in einen höheren Lebensstandard investieren. Ich denke also, dass auch die Verfechter konservativer Wirtschaftstheorien die Ruhe bewahren sollten. Carsharer geben ihr Geld einfach woanders aus.
In der Verkehrsstrategie für die Jahre 2014 bis 2020 des zuständigen Ministeriums ist inzwischen die Rede von einer Unterstützung für Carsharing-Dienste. Was versprechen Sie sich davon?
Kutáček: Nichts. Eine Erleichterung wäre zum Beispiel, wenn auf Carsharing-Fahrzeuge keine Straßensteuer erhoben würde. Aber beim Blick darauf, wie hier bei uns öffentliche Politik betrieben wird, glaube ich einfach nicht, dass mit angemessenem Aufwand solche kleinen Veränderungen zu erreichen sind. Diese Kraft stecken wir lieber in Innovationen, die unseren Dienst effektiver und das Teilen von Autos einfacher machen.
Die Stadt Prag verkündet auf ihren Webseiten stolz, dass es „Autonapůl“ nun auch in der Hauptstadt gibt. Ist denn von den Städten keine finanzielle Hilfe zu erwarten?
Kutáček: Wir werden weder finanziell noch anderweitig von der öffentlichen Verwaltung unterstützt. Manchmal werden allgemein Sympathien für Carsharing ausgesprochen. Das hat für uns allerdings keinerlei Bedeutung. Es geht eher darum, dass die Behörden nur schwer ignorieren können, dass im westlichen Ausland das Carsharing-Prinzip viel weiter entwickelt ist und dass die öffentliche Verwaltung dort eine bedeutende Rolle spielt. „Autonapůl“ finanziert sich ausschließlich aus privaten Mitteln. Für die Entwicklungsarbeiten – etwa für die Einrichtung eines professionellen Carsharing-Systems – sind wir an Zuschüsse von T-Mobile in Höhe von 100.000 Kronen (rund 3.900 Euro; Anm. d. Red.) gekommen. Das deckt etwa 20 bis 30 Prozent der Kosten, die wir für den Übergang auf ein professionelles System veranschlagen.
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