Kurs auf den Euro
Zeman und Sobotka wollen die Debatte über die Einführung der Gemeinschaftswährung intensivieren. Finanzministerium und Nationalbank sind skeptisch
15. 4. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Europäisches Parlament
Wer zum ersten Mal in Tschechien ist, der wundert sich oft: Kronen? Warum hat der Staat mitten in Europa denn noch nicht den Euro eingeführt? Wer das Land kennt, der ist mit der Debatte um die Gemeinschaftswährung hierzulande vertraut: In einem Papier, das die damalige Regierung im September 2003 verabschiedet hatte, wurden als frühestmöglicher Termin für Tschechiens Beitritt zur Eurozone die Jahre 2009 bis 2010 genannt. Da dieser nicht eingehalten werden konnte, wurde die Einführung der Gemeinschaftswährung auf einen späteren, bisher nicht konkretisierten Termin verschoben. Ex-Präsident Václav Klaus lehnte den Euro stets vehement ab und ähnlich hält es bis heute die Mehrheit der Bevölkerung. Im vergangenen Jahr sprachen sich in einer Umfrage des Forschungsinstituts STEM lediglich 24 Prozent für die Einführung aus. Skeptisch ist außerdem die Tschechische Nationalbank (ČNB), die derzeit mittels Deviseninterventionen die Krone gegenüber dem Euro relativ schwach hält – und so der heimischen Wirtschaft hilft, den Export anzukurbeln. Für den baldigen Beitritt zur Eurozone haben sich dagegen schon mehrfach Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) und Präsident Miloš Zeman ausgesprochen. Gemeinsam wollen sie das Thema nun wieder auf die Agenda setzen.
Bei einem Treffen auf der Prager Burg waren sich Sobotka und Zeman in der vergangenen Woche einig, dass die Debatte über die Einführung der Gemeinschaftswährung intensiviert werden müsse. Auch sei es zweckmäßig, einen Termin für Tschechiens Beitritt zur Eurozone festzulegen, sagte Sobotka nach den Verhandlungen mit Zeman. „Es wäre vorteilhaft, wenn wir (…) schrittweise daran arbeiten würden, dass wir die Bedingungen für die Euro-Einführung erfüllen“, so der Regierungschef. Er will auch in den kommenden Monaten mit dem Präsidenten über das Thema diskutieren. Zemans Sprecher Jiří Ovčáček zufolge soll es ein Zusammentreffen des Staatsoberhaupts mit Vertretern der Regierung und der Tschechischen Nationalbank geben, um über den Terminplan für die Einführung zu beraten. Eine gemeinsame Debatte sei im Mai geplant.
Zeman gilt seit langem als Verfechter eines schnellstmöglichen Beitritts zur Eurozone. Seiner Meinung nach könnte die Umstellung technisch innerhalb von zwei bis drei Jahren bewältigt werden. Der Premier sprach sich dagegen erneut für das Jahr 2020 als frühestes Datum aus. Seinen Aussagen zufolge herrscht innerhalb der Regierungskoalition darüber aber keine Einigkeit. Vorbehalte gegen den Euro hat vor allem Finanzminister Andrej Babiš (ANO). Sein Ministerium und die Nationalbank hatten der Regierung Ende des vergangenen Jahres erneut empfohlen, derzeit noch keinen Termin für den Beitritt Tschechiens zur Eurozone festzulegen. Babiš erklärte mehrfach, die Einführung der gemeinsamen Währung sei kein Ziel dieser Regierungskoalition. Nun sagte er im Tschechischen Fernsehen: „Für mich ist der Euro kein Thema, weil nicht einmal die Mitglieder der Eurozone selbst wissen, ob Griechenland sie verlassen oder ob es seine Schulden zurückzahlen wird.“ Auch der dritte Koalitionspartner gibt sich zurückhaltend. „Wir werden sehen, wie sich die Eurozone entwickelt und ob wir überhaupt alle Kriterien erfüllen“, so der Chef der Christdemokraten Pavel Bělobrádek gegenüber dem Fernsehsender.
„Kein aktuelles Thema“
Seitens der Nationalbank ließ die Reaktion auf den Vorstoß Zemans und Sobotkas nur einen Tag auf sich warten. Mojmír Hampl, Vizegouverneur der ČNB, reagierte in einem Interview mit dem Server Roklen24.cz: „Ich habe das Gefühl, dass der Euro derzeit kein aktuelles Thema ist“, sagte Hampl. „Für mich ist er es sicher nicht und ich wäre froh, wenn der Euro für unsere Wirtschaft noch einige Jahre, vielleicht für immer kein Thema wäre.“ Eine eigene Währungspolitik und die Krone als eigenständige Währung seien gut für die Wirtschaft, so der Vizegouverneur. Zu Zeman erklärte er, er habe in jüngster Zeit eher den Eindruck, der Präsident wolle in Tschechien den Rubel einführen. Zemans Sprecher reagierte prompt: „Eine solche Äußerung ist unwürdig für den Vizegouverneur der Tschechischen Nationalbank“, sagte Ovčáček und verwies auf die Übereinkunft von Premier und Präsident am Vortag: „Daran ändert sich trotz der Meinung des Vizegouverneurs nichts.“
Zeman hatte die Nationalbank in den vergangenen Monaten mehrfach kritisiert, vor allem im Zusammenhang mit deren Politik der Devisenintervention. Er warf der ČNB vor, sie wolle die Einführung des Euro aufschieben, weil sie mit dem Beitritt des Landes zur Währungsunion einen großen Teil ihrer Kompetenzen an die Europäische Zentralbank verlieren würde. Die ČNB weist die Vorwürfe zurück.
Unter den Experten gehen die Meinungen auseinander. Der Wirtschaftswissenschaftler Oldřich Dědek, den die damalige Regierung bereits 2007 zum nationalen Koordinator für die Einführung des Euro in Tschechien ernannte, erklärte zu Beginn des Jahres im Tschechischen Fernsehen, aus wirtschaftlicher Sicht sei das Land bereit für den Schritt. Die skeptische Öffentlichkeit vom Nutzen der Gemeinschaftswährung zu überzeugen sei vor allem die Aufgabe der Politiker, so Dědek damals. Die Chefökonomin der Tschechischen Bankenvereinigung Eva Zamrazilová dagegen warnte kürzlich vor einem zu schnellen Beitritt. Es habe keinen Sinn, einer Union beizutreten, deren weitere Entwicklung fraglich sei, so das ehemalige Mitglied des Bankenrats. Außerdem sprach sie sich dafür aus, dass der Kurs vor einer Umstellung bei weniger als 20 Kronen pro Euro liegen müsse. Mit etwa 27,35 Kronen ist er davon – auch aufgrund der Devisenintervention der Nationalbank – weit entfernt.
„Wie 1938“
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