Lauter Nepomucken
Auf den Spuren von Johannes Nepomuk in Prag – Teil 1: Kleinseite (I)
31. 3. 2018 - Text: Josef Füllenbach
Aber diese Nepomucken!
Von des Torgangs Lucken gucken
und auf allen Brucken spucken
lauter, lauter Nepomucken!
(Rainer Maria Rilke, 1896)
Nein, Rilke hat nicht übertrieben. In Prag und darüber hinaus in Böhmen gibt es tatsächlich „lauter, lauter Nepomucken“. Das kann man bei einem Spaziergang durch die Prager Gassen leicht feststellen. Auch wenn man nur die bemerkenswertesten Beispiele aufsuchen will, wird es notwendig sein, sich mehrmals zu solchen Spaziergängen aufzuraffen. Eben weil es so viele „Nepomucken“ in Prag gibt. Den Anfang soll die Kleinseite machen. Oder zumindest ein Teil von ihr.
Den Rundgang beginnt man am besten mitten auf der Karlsbrücke an der Bronzestatue des heiligen Johannes Nepomuk, des berühmten Brückenheiligen. Wie neulich an anderer Stelle ausgeführt, steht diese Bronzestatue schon seit über 330 Jahren auf ihrem Podest. Sie ist das Urbild der meisten anderen Nepomuk-Statuen, die im Laufe der Zeit in Prag, in Böhmen und weit darüber hinaus in der Regel aus Stein oder aus Holz geschaffen und aufgestellt wurden. Bevor es losgeht, sollte man das Urbild oder das Muster dieser Epigonen noch einmal genauer anschauen und sich seine wichtigsten Merkmale einprägen, damit man später auch „lauter, lauter Nepomucken“ oder wenigstens die schönsten Exemplare unter ihnen erkennen kann.
Denn Prag ist mit vielen Figuren und Bildern von anderen Heiligen geradezu übersät. Man schaue sich nur einmal auf der Karlsbrücke um! Oder man zähle bei Gelegenheit auf dem Kreuzherrenplatz (Křižovnické náměstí) die vielen Statuen, mit denen die Fassaden der Salvatorkirche, der Kirche des heiligen Franziskus und des Altstädter Brückenturms geschmückt sind! Rechnet man noch das Denkmal von Kaiser Karl IV. und das des heiligen Wenzel hinzu, sind es insgesamt 31 Statuen. Also genauso viele, wie die Karlsbrücke trägt, wenn mal ausnahmsweise keine der von der aggressiv-säurehaltigen Luft geplagten Bildhauerwerke zur Restaurierung in eine Werkstätte entführt wurde. Da kann man also leicht in Verlegenheit geraten, wenn man seinen Blick nicht an der Vorlage für (fast) alle anderen Nepomuken geschärft hat.
Die Statue ist nach einer Holzplastik, die der Prager Bildhauer Jan Brokoff geschaffen hatte, von dem Nürnberger Gießer Wolf H. Herold in Bronze gegossen worden. Brokoff gestaltete den Heiligen als einen Mann mit den sanften Gesichtszügen eines Dulders, wobei auch etwas Verzücktes und Schmachtendes in seinem Blick liegt. Sein Birett und der kurze Umhang über dem Chorhemd weisen ihn als Kanoniker aus. Das in den Arm gelegte Kruzifix mit dem Gekreuzigten zeigt ihn als Geistlichen, dessen Martyrium dem Leidensweg Christi folgt. Ebenso gilt der goldene Palmzweig als Zeichen des Märtyrers. Diesem fast etwas verlegenen oder schüchternen Geistlichen nimmt man ohne Zweifel ab, dass ihn seine Königin zum Beichtvater erkoren haben könnte. Nichts Furchteinflößendes geht von ihm aus. Die leichte Neigung des Kopfes und die ein wenig gebogene Körperhaltung, die Leiden und Verletzlichkeit zum Ausdruck bringen, werden dem Betrachter noch mehrfach begegnen.
Der Kranz von fünf Sternen mit jeweils fünf Zacken ist das berühmteste der Symbole des Heiligen. Sie erinnern an die Legende, nach der fünf Lichter seine Leiche in der Moldau umgaben, als er den Fluss hinuntertrieb bis zu der Stelle, wo er gefunden und an Land gezogen wurde. Der Sternenkranz zeichnet Nepomuk zudem vor allen anderen Heiligen aus. Nur die Jungfrau Maria ist meist ebenfalls mit einem Sternenkranz dargestellt, der freilich mit noch mehr Sternen bestückt ist.
Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Attribute, die gelegentlich auf Bildern oder bei Plastiken dem heiligen Nepomuk beigegeben sind. Nicht alle sind bereits bei dem Heiligen auf der Karlsbrücke zu finden; der Strom vielfältiger Legenden, die sich heute um die Gestalt des Brückenheiligen ranken, hat mit der Zeit immer neue einprägsame Bilder hervorgebracht, die sich ihrerseits in anschaulichen Attributen manifestieren. Auf diese Weise konnte früher das einfache, schriftunkundige Volk anhand der ikonographischen Gestaltung der Statuen (übrigens nicht nur des heiligen Nepomuk) wichtige Lebensstationen derjenigen nachvollziehen, an die sie ihre Fürbitten richteten.
Der Sockel der Nepomuk-Statue ist rechts und links mit einem Relief versehen. Links abgebildet ist König Wenzel IV., wie er der Beichte seiner Gemahlin Sophie zuschaut. Wenzel ist hier mit einem Jagdhund dargestellt – einer seiner Jagdhunde soll seine erste Gemahlin Johanna 1386 zu Tode gebissen haben. Als Attribut Wenzels findet man den Jagdhund auch auf Darstellungen des Verhörs Nepomuks durch den König. Das rechte Relief zeigt, wie Nepomuks Leiche von Wenzels Schergen von der Brücke in den Fluss geworfen wird. Zwischen den beiden Reliefs informiert in der Mitte eine lateinische Inschrift, dass Matthias Freiherr von Wunschwitz 1683 die Statue Johannes Nepomuk gewidmet hat, „der 1383 von dieser Brücke gestürzt wurde“ (zum Zeitpunkt der Errichtung des Standbildes glaubte man noch, Martyrium und Tod Nepomuks hätten sich nicht 1393, sondern zehn Jahre früher zugetragen). Unter dem rechten Fuß der Statue Nepomuks ist auf einem kleinen Steinblock wiederum in lateinischer Sprache eingraviert: „Ausgeführt von Wolf Hieronymus Herold in Nürnberg 1683“.
Es ist Zeit, von diesem Platz aufzubrechen, auf dem zu keiner Jahreszeit mehr Ruhe einkehrt. Tausende und Abertausende von Touristen, immer mehr von ihnen aus Fernost, machen hier Halt, kämpfen um die besten Standorte, bauen sich für ein Erinnerungsfoto vor dem Standbild auf, berühren die beiden Reliefs, weil das angeblich Glück verheißt, und schnattern dabei unaufhörlich in einem babylonischen Sprachengemisch durcheinander – ungeachtet des Beispiels, das ihnen der große Schweiger Nepomuk, der Hüter des Beichtgeheimnisses, gibt.
Am Ende der Brücke in Richtung Kleinseite, und noch bevor man die Kleinseitner Brückentürme erreicht, ist rechter Hand ein gut erhaltener dreistöckiger Renaissancebau zu sehen: das Hotel „Zu den drei Straußen“ (U tří pštrosů; U Lužického semináře 76/1). Der heutige Bau mit den schönen Renaissancegiebeln hat in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein bedeutend älteres gotisches Gebäude ersetzt. Auf der westlichen, den Brückentürmen zugewandten Seite sind in Höhe des zweiten Stocks Fragmente der Wandbemalung aus der Renaissance erhalten: Zwischen den Fenstern ist das nicht mehr ganz vollständige Hauszeichen, drei Strauße, zu erkennen. Ein Helm mit einem Busch aus Straußenfedern schmückt das Feld am rechten Rand; darunter steht in alter tschechischer Schreibweise das Wort für Federschmucker („PERZYSSMUKYRZ“).
Auf der Südfassade sind ebenfalls einige Fragmente der Wandbemalung erhalten, deren Bedeutung jedoch zum größten Teil nicht mehr zu entziffern ist. Erkennbar ist vor allem das Rankenwerk aus Straußenfedern, das einige Fenster einrahmt. Am linken Rand der Fassade ist die deutsche Berufsbezeichnung „Federschmucker“ unter einem Rahmen zu lesen, der vermutlich ein weiteres zu diesem Beruf passendes Bild enthielt, das aber völlig verblasst ist. Die gesamte Bemalung hat im Jahre 1606 der kaiserliche Federschmucker Jan Fuchs, seit 1597 Besitzer des Hauses, als großflächige Reklame für sein Geschäft anbringen lassen. Fuchs stellte Federschmuck für die Kopfbedeckungen der zahlreichen Kavaliere am kosmopolitischen und europaweit berühmten Hof von Kaiser Rudolf II. her. Diese waren bereit, für extravagante Kleidung und Schmuck beträchtliche Summen auf den Tisch zu legen. Es war wohl kaum eine Stelle in Prag für wirksame Reklame besser geeignet, als die Fassaden des Hauses unmittelbar an der Karlsbrücke, der damals und noch lange Zeit einzigen Verbindung zwischen den Prager Stadtteilen (bis 1784 rechtlich eigenständige Städte).
Ebenfalls auf der westlichen Fassade befindet sich über dem Portal nicht ganz in der Höhe des ersten Geschosses eine Nische, in der eine barocke Statue des hl. Nepomuk aufgestellt ist. Das Kunstwerk, dessen Autor nicht überliefert ist, stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts und repräsentiert eine rustikale Version des Johannes in der Art, wie sie die berühmte und den Prager Spätbarock prägende Werkstatt von Ignaz Franz Platzer pflegte. Die wichtigsten Attribute, die schon den Brokoffschen Nepomuk von 1683 kennzeichnen, sind auch hier vorhanden. Nur die Körperhaltung ist deutlich verändert: Der Heilige ist ganz dem Kreuz zugewandt und schaut betrübt auf den Gekreuzigten. Oder schaut er auch deshalb betrübt, weil er, von den Hauseigentümern vernachlässigt, ziemlich heruntergekommen aussieht? Dies vielleicht als Strafe dafür, dass er das Gebäude 2002 nicht vor dem bislang schlimmsten Hochwasser der Moldau beschützen konnte, was doch zu seinen vornehmsten Aufgaben gehört?
Der Weg führt nun weiter durch den Torbogen zwischen den beiden Brückentürmen in die Brückengasse (Mostecká). Noch bevor man den Kleinseitner Ring (Malostránské náměstí) erreicht, geht es nach links in die Josefsgasse (Josefská). Diese führt direkt auf die Thomaskirche zu, die schon von Weitem zu sehen ist. Doch vorher, schon fast am Ende der Josefsgasse, taucht rechts, ein gutes Stück hinter die Häuserflucht zurückgesetzt, die Josefskirche auf.
Die Ende des 17. Jahrhunderts erbaute Barockkirche sollte ursprünglich mit der restlichen Bebauung eine durchgehende Fluchtlinie unmittelbar an der Straße bilden und die dort im rückwärtigen Gelände 1672 fertiggestellte Klosteranlage der Unbeschuhten Karmelitinnen komplettieren. Die Grundsteinlegung wurde 1673 in Anwesenheit des Kaisers Leopold I. vorgenommen; daran erinnert der in der Mitte der prächtigen Fassade platzierte große habsburgische Doppeladler mit einem von Weitem erkennbaren goldenen L. Doch bei den Arbeiten am Fundament bildeten sich gefährliche Risse am Nachbarhaus, das damals der Lobkowitz-Familie gehörte und noch heute zwischen der Josefskirche und der Thomaskirche steht. Die Karmelitinnen verloren den Prozess, den Lobkowitz angestrengt hatte, und mussten mit ihrem Kirchenbau zweimal ein gutes Stück zurückweichen, in der Folge den Klostergarten verkleinern und den eigentlichen Baubeginn um etliche Jahre verschieben.
Im Hinblick auf Johannes Nepomuk ist interessant, dass sich das alles auf dem Areal abspielte, wo 300 Jahre früher noch der erzbischöfliche Hof mit der Kanzlei stand. Hier ging Nepomuk seiner Arbeit als Generalvikar nach und hatte Anfang März 1393 das Dokument ausgefertigt, das ihm zum Verhängnis werden sollte: die Bestätigung der Wahl des neuen Abtes des Klosters Kladruby (Kladrau) entgegen den Intentionen von König Wenzel IV.
1420, ein Vierteljahrhundert später, versank der Bischofshof, wo die Prager Bischöfe und Erzbischöfe rund zwei Jahrhunderte lang residiert hatten, für immer in Schutt und Asche: Die Hussiten der Prager Alt- und Neustadt plünderten und zerstörten weite Teile der katholischen Kleinseite, teils als Kollateralschaden beim Versuch, die Burg zu erobern, teils auch systematisch, um diesen Stadtteil als Zufluchtsort für die Feinde unbrauchbar zu machen.
Im Kircheninneren interessiert hier auf der rechten Seite besonders der erste von zwei Seitenaltären – der Nepomuk-Altar. Er wird beherrscht von einer Barockstatue des Heiligen aus Holz, die ebenso wie der Altar insgesamt 1721, im Jahr der Seligsprechung Nepomuks durch Papst Innozenz XIII., im Atelier des böhmischen Bildhauers und Holzschnitzers Jan Jiří Šlanzovský entstand. Abweichend von der Figur auf der Karlsbrücke ist Nepomuk hier von vier Engelchen umgeben, von denen zwei den vom Baldachin herunterfallenden Vorhang öffnen und so den Blick auf den Heiligen freigeben. Zwei andere halten Nepomuk die beiden wichtigen Attribute entgegen: das Kreuz und die Märtyrerpalme. Bemerkenswert ist, wie genau der Aufbau des Nepomuk-Altars mit dem gegenüberliegenden Altar der heiligen Anna selbdritt korrespondiert: wiederum ein Baldachin mit herunterfallendem Vorhang und den vier Engelchen, die die zentrale Figurengruppe einrahmen. Auch dieser Altar ist ein Werk von Šlanzovský aus dem Jahre 1721.
Die nächste Station ist die Kirche des hl. Thomas, nur drei Minuten Fußweg entfernt. Wie das Bild (aufgenommen vom Turm der Nikolauskirche) zeigt, ist sie bedeutend größer und höher als die Josefskirche. Das ist charakteristisch für eine ursprünglich gotische Kirche, die später im Renaissance- oder Barockstil umgebaut worden ist. Die Thomaskirche hat sogar beide Varianten durchgemacht. Ihr Bau geht zurück auf den vorletzten Přemyslidenkönig Wenzel II. (1271-1305). Er lockte den Augustinerorden 1285 nach Prag, indem er den Mönchen eine schon früher bestehende kleine Thomaskirche mit Gelände für das Kloster schenkte. Der Orden blühte rasch auf, so dass er die alte Kirche durch ein gotisches Gotteshaus – laut Chronik damals „eines der größten und schönsten in Prag“ – ersetzte, das 1379 eingeweiht wurde, und ebenso das Klostergelände um einen Teil der Festungsanlagen (Glacis) jenseits der nahen Stadtmauer erweiterte.
Die Freude an der neuen Thomaskirche währte nicht lange. Sie fiel wie die meisten Kleinseitner Kirchen und Klöster 1420 dem Hussitensturm ebenso zum Opfer wie die nach einem erhaltenen Verzeichnis des Inventars „unglaubliche Menge kostbarer Monstranzen, Kelche, Kreuze, Ornate usw. sowie einer reichen Bibliothek“. Nach wechselhaftem Schicksal – unter anderem einer erneuten Zerstörung durch die große Feuersbrunst von 1541 und einem Umbau im Renaissancestil um die Jahrhundertwende 1600 – erhielt die Kirche in den Jahren 1727 bis 1731 im Wesentlichen ihre heutige Gestalt unter dem Barockbaumeister Kilian Ignatz Dientzenhofer. Von dem einst gotischen Gemäuer ist noch vieles erhalten, jedoch durch den zweimaligen Umbau kaum noch erkennbar.
Die Barockisierung nicht nur der Einrichtung, sondern des Gotteshauses insgesamt fiel zeitlich zusammen mit dem Höhepunkt des Nepomuk-Kultes im frühen 18. Jahrhundert (Heiligsprechung 1729 durch Papst Benedikt XIII.). So nimmt es kein Wunder, dass die Kirche auch einen Seitenaltar beherbergt (auf der linken Seite, nahe dem Eingang), der dem Brückenheiligen geweiht ist.
Zur Abwechslung ist Nepomuk hier nicht als Plastik dargestellt, sondern als Hauptperson eines Gemäldes von einem unbekannten Maler, das schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden ist. Es zeigt den Heiligen im Gebet, umrahmt von zwei Engeln, von denen einer mit dem Zeigefinger vor den Lippen auf Nepomuks Verschwiegenheit hinweist. Die Attribute Kreuz und Märtyrerpalme werden wiederum von Engeln gehalten, der Kranz mit den Sternen sogar über dem Gemälde von einer als Holzplastik gearbeiteten Putte. Zur Hundertjahrfeier der Heiligsprechung 1829 ließen die Augustiner die fünf Sterne mit den fünf Buchstaben des lateinischen Wortes TACUI (ich habe geschwiegen) versehen. Den hohen Rang, den Nepomuk seinerzeit unter den Landesheiligen genoss, verdeutlicht ein weiteres Detail: Das Altarbild wird rechts und links flankiert von Statuen des heiligen Wenzel und des heiligen Veit, die zu den ältesten Patronen Böhmens gehören.
In der Thomaskirche hat der katholische Priester und beliebte Prediger Václav Hájek von Libočan im Jahre 1539 sein umfangreiches historisches Werk „Kronika česká“ (Böhmische Chronik) zu Ende geschrieben. Diese in vielerlei Hinsicht zweifelhafte Erzählung galt im 16. und 17 Jahrhundert als eine der bedeutenden Quellen zur Information über die Geschichte der böhmischen Länder und wurde so auch zu einer der wichtigsten Stützen der Nepomuk-Legenden, vor allem der Legende von Nepomuk als dem Beichtvater der Königin. Zudem hat Hájek sehr zur Verwirrung um das Todesjahr Nepomuks beigetragen: 1383 oder 1393. Er behalf sich damit, einfach zwei verschiedene Geistliche anzunehmen, die beide auf Anweisung Wenzels IV. den Märtyrertod starben, der eine 1383 wegen des nicht verratenen Beichtgeheimnisses, der andere 1393 wegen der Bestätigung des neu gewählten Abtes für das Kloster Kladruby.
Von hier führt der Weg nun zum Kleinseitner Ring. Auf seiner oberen Hälfte steht eine der beiden in Prag noch erhaltenen Pestsäulen, die als Votivgabe zum Dank für die Überwindung der Pest von 1713 der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gewidmet ist. Sie ist ein Werk des Hochbarock; der Gesamtentwurf der Säule geht auf den aus Italien stammenden Architekten Giovanni Battista Alliprandi zurück, die reiche bildhauerische Ausstattung stammt von Jan Oldřich Mayer und Ferdinand Geiger. 1715 wurde die Säule an der Stelle eingeweiht, wo während der Pestzeit die Gottesdienste unter freiem Himmel stattfanden. Wegen der Ansteckungsgefahr waren nämlich Versammlungen in geschlossenen Räumen, also auch in Kirchen, weitgehend untersagt.
Der Kleinseitner Gemeinderat hatte Kaiser Karl VI. einen Aufriss der Säule zur Genehmigung vorgelegt und dies mit der Bitte verbunden, er „möge nicht auf die Unscheinbarkeit dieses Werkes achten, denn das Opfer ist der Gemeinde gewiss angemessen. Eine kleine Stadt kann nicht mehr geben.“ In Prag war man sich offenbar dessen bewusst, dass der Kaiser selbst schon 1713 ein Gelöbnis abgelegt hatte, zum Gedenken an den Triumph über den „Schwarzen Tod“ in Wien dem Pestheiligen Karl Borromäus eine Kirche errichten zu lassen.
Johannes Nepomuk gilt nicht als Pestheiliger, aber schon damals galt er als einer der Landespatrone. Da die Pestsäulen in den böhmischen Ländern neben einigen Pestheiligen – am häufigsten die heiligen Rochus und Sebastian, außerdem gelegentlich die heilige Rosalie oder eben Borromäus – in der Regel auch einige Landespatrone auf den Podesten versammeln, taucht der Brückenheilige seit dem 17. Jahrhundert als Ausdruck des sich rasant ausbreitenden Nepomuk-Kultes häufig auf Pestsäulen auf. Man findet ihn zum Beispiel auch als Teil des Figurenschmucks der Pestsäule der Jungfrau Maria auf dem Platz vor der Burg (Hradčanské náměstí).
Bevor die Spurensuche jedoch die Burg und die Burgvorstadt (Stadtteil Hradčany) erreicht, müssen noch einige Nepomukstatuen und -bilder auf der Kleinseite aufgesucht werden. Darunter gibt es konventionelle Darstellungen nach Art der „vorbildlichen“ Bronzefigur auf der Karlsbrücke, und solche mit überraschenden Abweichungen. Es kann sogar schwer fallen, den großen Schweiger aus Pomuk überhaupt zu erkennen. Mehr darüber im nächsten Teil der Serie, der demnächst veröffentlicht wird.
„Wie 1938“
30 Jahre PZ