Loblied auf den Nachbarn
Tschechiens Regierungschef besucht Österreich und verteilt Komplimente
4. 6. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: ČTK/Martin Weiser
Manchmal passen Fußball und Politik ganz gut zusammen. So wie am Dienstag. Österreichs Nationalmannschaft reiste an diesem Tag zu einem Freundschaftsspiel nach Olomouc. Der tschechische Regierungschef schlug die andere Richtung ein und fuhr nach Wien. Das Verhältnis zwischen Österreich und Tschechien war am 3. Juni also das Hauptthema, sowohl auf politischer als auch auf sportlicher Ebene.
Böse Zungen könnten nun behaupten, dass beide Ereignisse unbedeutend gewesen seien. Auf der einen Seite wollten sich die Fußballer vielleicht den Frust über die verpasste WM-Qualifikation von der Seele schießen. Und den späten Antrittsbesuch von Bohuslav Sobotka – immerhin seit fünf Monaten im Amt – könnten manche als Zeichen von geringer Wertschätzung deuten. Während Tschechien und Österreich tatsächlich nur WM-Zuschauer sind, gab sich Sobotka redlich Mühe, den zweiten Gedanken aus der Welt zu schaffen. So wies er darauf hin, dass sein Außenminister bereits im März in Wien gewesen sei und dort einen „Neustart der Beziehungen“ versprochen hatte.
Der Aufenthalt des Premiers in Wien glich in vielerlei Hinsicht seinem Antrittsbesuch in Berlin: Zunächst wurde er vom Präsidenten empfangen, danach ging es zum Kanzler und zu guter Letzt zum Bürgermeister. Auch sprach sich Sobotka für häufigere Treffen auf Ministerebene aus – wie er es auch der deutschen Bundeskanzlerin vorgeschlagen hatte. „Wenn auch nicht das komplette Kabinett zusammenkommt, dann doch zumindest die Regierungschefs und ausgewählte Minister“, sagte der Sozialdemokrat.
Gut, dass es auch noch andere, eigene Themen gab. Natürlich gehörte der Ausbau des Atomkraftwerks in Temelín dazu, das seit Jahren größte Problem in den Beziehungen beider Länder. Dass Tschechien die Pläne dafür vorerst verschoben hat, bezeichnete Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) als „positive Entwicklung“. Schließlich bestätige sie Österreichs Standpunkt, „wonach Atomenergie weder sicher noch nachhaltig ist“. Dieser Satz irritierte Sobotka dann doch: Nur weil das Thema momentan nicht auf der Tagesordnung steht, rückt seine Regierung doch nicht von der Atomkraft ab.
Ein Loblied auf die österreichische Arbeitsmarktpolitik ließ sich Sobotka danach trotzdem nicht nehmen. „Österreich hat langfristig eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten der EU“, sagte der Regierungschef und schob hinterher, dass Österreich auch in Sachen Stadtentwicklung und soziales Wohnen ein Vorbild für sein Land sei.
Am Schluss reichte Sobotka seinem Amtskollegen dann noch einmal die Hand: Die Aktivitäten der Visegrád-Gruppe sollten mit Österreich besser koordiniert werden. Zudem setze sich Sobotka für bessere Verkehrswege zwischen Österreich und Tschechien ein. „Es ist doch eine Schande, dass es uns seit 1989 nicht gelungen ist, gut ausgebaute Straßen und Zugverbindungen zu errichten.“ Vielleicht haben sich das auch die österreichischen Fußballer gedacht, die sich am späten Abend mit einem 2:1-Sieg aus Tschechien verabschiedeten.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“