Manipulation und Klischees

Manipulation und Klischees

Bei Pragestt 2018 diskutieren junge Sprachwissenschaftler über europäische Medien vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte

8. 4. 2018 - Text: Konstantin Kountouroyanis


Von Konstantin Kountouroyanis


Seit acht Jahren treffen sich junge Germanisten im März an der Karls-Universität, um über ihre Forschungsprojekte zu sprechen. Bei Pragestt 2018 kamen 42 Referenten und zahlreiche Besucher aus West-, Mittel- und Osteuropa zusammen. Eingeladen waren nicht nur Studenten, Doktoranden und das germanistische Fachpublikum, sondern auch die Öffentlichkeit. Denn sowohl Sprach- als auch Literaturwissenschaft, das zeigte das umfangreiche Vorlesungsverzeichnis, können durchaus einen praxisnahen Bezug zur aktuellen Situation in Europa haben.

Den Anfang der Ringvorlesung machte Janneke Eggert von der Universität Duisburg-Essen. In ihrer Analyse untersuchte sie Wahlbotschaften und Versprechen der rechtspopulistischen AfD auf sprachlich manipulative Mittel. Mit diesen versuchte die Partei, vor allem im Bundestagswahlkampf 2017 eine möglichste breite Wählerschaft für sich zu gewinnen und Stimmung gegen Minderheiten und Flüchtlinge zu machen.

Auch für Elisabeth Putterer von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest stand die Flüchtlingsdebatte im Fokus ihrer sprachwissenschaftlichen Untersuchung. Sie verglich Neologismen (Wortneuschöpfungen), die im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte in den deutschen und ungarischen Medien auftauchen. Dabei fand sie zahlreiche Begriffe wie „Migrationskatastrophe“, „Asylmisere“, „Flüchtlingswelle“ und „Flüchtlingslawine“ auffällig häufig in den Medien beider Länder vertreten – Ausdrucksweisen, die mit Bedrohung und Naturkatastrophen assoziiert werden sollen.

Petr Kuthan von der Masaryk-Universität in Brünn setzte sich vor allem mit deutschen Online-Medien auseinander. Er zeichnete in seinem Vortrag ein kritisches Bild der digitalen Presselandschaft, was deren Perspektive auf Tschechien angeht. Anhand von Textbeispielen aus den Internetseiten des Spiegel, der FAZ und der SZ konstatierte Kuthan nicht nur eine einseitige Berichterstattung, sondern auch eine nachlässige bis fahrlässige Recherche, wenn es um die Darstellung des Nachbarlandes geht. Seine Analyse ergab ein sehr reduziertes, oft auf Klischees beruhendes Tschechien-Bild. Nicht zuletzt dürfte dies auch dem Umstand geschuldet sein, dass die meisten Redaktionen lediglich einen freiberuflichen, „Osteuropa-Korrespondenten“ beschäftigen, der entweder von Warschau oder Wien aus die Berichterstattung für mehrere Staaten in Ost- und Mitteleuropa übernehmen soll – sofern sich die Redaktionen überhaupt einen solchen Korrespondenten leisten.

Das umfangreiche Programm zu literatur- und sprachwissenschaftlichen Themen ergänzte eine Autorenlesung im Österreichischen Kulturforum. Karin Peschka, im vorigen Jahr mit dem Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs ausgezeichnet, las aus ihren Romanen „Autolyse Wien“, „FanniPold“ und „Watschenmann“. Am letzten Tag konnten Besucher wie auch Teilnehmer der Tagung an einer literarischen Nachtwanderung durch Prag teilnehmen und auf den Spuren Kafkas, Meyrinks und Kubins wandeln.