Maschinenbau profitiert von Auslandsnachfrage

Maschinenbau profitiert von Auslandsnachfrage

Transport- und Werkzeugmaschinen besonders erfolgreich – Deutsche Hersteller nutzen Standortvorteile

5. 12. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Gerit Schulze; Foto: APZ

Tschechiens Maschinenbau bleibt eine zuverlässige Stütze der einheimischen Industrie. Zwar ist der Absatz von Ausrüstungen auf dem Binnenmarkt aktuell sehr schwach. Doch die starke Nachfrage aus dem Ausland nach tschechischen Maschinen beflügelt die Branche. Davon profitieren auch deutsche Hersteller, die eine Produktion im Nachbarland aufgebaut haben.

Wer in London die U-Bahn betritt, wird das künftig dank tschechischer Maschinenbauer tun können. Denn die neuen Rolltreppen kommen aus dem südmährischen Břeclav. Dort befindet sich eine Niederlassung des US-Konzerns Otis, die im Frühjahr dieses Jahres den größten Auftrag der Firmengeschichte bekommen hat. Für über 1 Milliarde Kronen (rund 37 Millionen Euro) soll die Fabrik 107 Rolltreppen an die Themse liefern. Weitere 65 Einheiten hat Stockholms Metrogesellschaft in Břeclav geordert – ein Beleg für die Leistungsfähigkeit des tschechischen  Maschinenbaus.

Erfolge feiert auch der Pilsener Schienenfahrzeughersteller Škoda Transportation. Das Unternehmen hatte im Sommer einen Auftrag von der Deutschen Bahn für sechs Nahverkehrszüge im Wert von über 100 Millionen Euro erhalten, die ab 2016 zwischen München und Nürnberg verkehren sollen. Für angestammte Auftragnehmer der Bahn wie Siemens oder Bombardier bedeutet das neue Konkurrenz aus Tschechien. „Wir sind der erste Lieferant, der in Deutschland eine Ausschreibung für Züge mit einer Einstiegshöhe von 760 Millimetern gewonnen hat“, erklärt Zdeněk Majer, Vizepräsident und zuständig für den Vertrieb bei Škoda Transportation. Es soll nicht der letzte Erfolg auf dem deutschen Markt sein. „Wir wollen uns an weiteren Ausschreibungen für Doppelstockzüge beteiligen. Außerdem ist der Straßenbahnbereich sehr wichtig für uns“, kündigt Majer an.

Der Škoda-Konzern ist einer der am schnellsten wachsenden Maschinenbauer in Mitteleuropa. Laut Verkaufschef Majer erwartet das Unternehmen 2013 einen Umsatz von 750 Millionen Euro. Dank großer Ordereingänge im ersten Halbjahr sollen die Erlöse bis 2015 auf 900 Millionen Euro steigen.

Um neue Aufträge macht sich Majer keine Sorgen: „Unser Unternehmen steckt jedes Jahr 40 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung.“ Das Produktportfolio aus Straßenbahnen, Doppelstockwaggons oder Lokomotiven sei auf dem aktuellsten Stand und wurde überwiegend in den zurückliegenden drei bis vier Jahren entwickelt. „Im Unterschied zu den großen Mitbewerbern aus Westeuropa sind die Entscheidungsprozesse in unserem Unternehmen noch schnell und flexibel.“

Škoda Transportation ist bislang vor allem in den ehemaligen Ostblockstaaten erfolgreich. Rund zwei Drittel des Umsatzes erzielt das Unternehmen durch Exporte. Künftig will es verstärkt in Westeuropa Fuß fassen. In Deutschland ist die Gründung einer Vertriebs- und Service­niederlassung geplant.

Gut durch die Rezession
Die Fokussierung auf die Auslandsmärkte zahlt sich aus für den tschechischen Maschinenbau. Während das Volumen der Ordereingänge auf dem Heimatmarkt im ersten Halbjahr um fast drei Prozent gesunken ist, stiegen die Exportaufträge um rund zwei Prozent. Den Trend bestätigt auch Petr Zemánek, Geschäftsführer des Verbands für Maschinenbautechnologie (SST). Dort sind vor allem Werkzeugmaschinen-Hersteller organisiert. Sie liefern 35 Prozent ihrer Produktion nach Deutschland, 15 Prozent nach Russland. „Unsere Firmen melden volle Auftragsbücher bis Jahresende“, so Zemánek. Das größte Wachstum erwartet er im GUS-Raum.

Dank der Auslandsnachfrage kommt die einheimische Maschinenbaubranche erstaunlich gut durch die Rezession. Ihre Umsätze sind 2012 um fünf Prozent auf 240 Milliarden Kronen (8,8 Milliarden Euro) gestiegen. Im laufenden Jahr setzt sich der Trend fort: Während das verarbeitende Gewerbe seine Produktion in den ersten sechs Monaten dieses Jahres insgesamt um über drei Prozent drosseln musste, konnten Hersteller von Maschinen und Ausrüstungen ihren Ausstoß gegenüber der Vorjahresperiode leicht um 0,3 Prozent erhöhen.

Auf dem Binnenmarkt müssen die Maschinenbauer wohl noch ein Jahr warten, bis die Nachfrage nach Ausrüstungsgütern wieder stärker anzieht. Nach Prognosen des Finanzministeriums werden die Anlageinvestitionen 2013 um fast fünf Prozent und 2014 um weitere 0,6 Prozent sinken. Wichtige Abnehmerbranchen für Maschinenbauprodukte stecken in der Krise. Dazu gehören Nahrungsmittelhersteller, Holzverarbeiter, Metallurgie-Betriebe und der Bausektor.

Vorteil Standort
Die deutschen Maschinenbauer, die Tschechien nach der Wende als Produktionsstandort entdeckt haben, spüren die Flaute aber bislang kaum; ihre Kunden sitzen meist in den Wachstumsmärkten im Ausland. Dazu gehört die Firma Parabel aus der Nähe von Zlín, die sich auf Design, Entwicklung und Komponenten-Fertigung für Maschinenbauer spezialisiert hat. Geschäftsführer Michael Krüsselin findet den Standort ideal, vor allem wegen der Lohnkostenvorteile. „Außerdem können wir in der nahen Slowakei einen Großteil unserer Ausgangsmaterialien günstig einkaufen.“ Das Geschäft läuft gut, sodass Parabel in den vergangenen Monaten in Büro- und Lagerräume sowie in zusätzliches Personal investieren konnte.

Auf wachsende Umsätze hofft auch Udo Werner mit dem Werkzeug- und Maschinenhersteller SWA, den er 1992 in der Nähe von Pilsen mitgegründet hatte. Das Unternehmen entwickelt und produziert Ausrüstungen zur Herstellung von Innenausstattungen für Pkw, zum Beispiel von Instrumententafeln oder Türverkleidungen. Die Wahl fiel auf Tschechien, „weil das Land immer ein guter Maschinenbaustandort war“, so Werner. „Deshalb hatten wir darauf gesetzt, hier gut ausgebildete Fachkräfte zu finden.“

Nachwuchs gefragt
Die Hoffnung hatte sich erfüllt. Doch der Start zu Beginn der neunziger Jahre war nicht immer einfach und zuweilen „Pionierarbeit“, erinnert sich der Manager. In einer Fabrikhalle der Agrargenossenschaft Staňkov zogen die ersten Maschinen ein. Dort lief die Kohleheizung nur acht Stunden am Tag. „Gas- und Elektroleitungen mussten wir selbst zu den Gebäuden verlegen lassen, um die Maschinen betreiben und die Fertigung aufbauen zu können.“

Heute ist SWA ein florierender Betrieb mit Sitz in Stod bei Pilsen. Zu den Kunden zählen weltweit führende Kfz-Zulieferer. In der hauseigenen Entwicklungsabteilung arbeiten 25 Konstrukteure. Schweiß-, Guss- und Hydraulikteile ordert das Unternehmen in Tschechien. Kompliziertere Steuerungselemente für die Maschinen kommen aus Deutschland.

Trotz der langen Maschinenbautradition in Pilsen wurde es aber immer schwieriger, Fachleute zu finden. In den Jahren nach der Wende rieten die Eltern ihren Kindern davon ab, Werkzeugmacher oder Fräser zu werden, da man sich bei diesen „schwarzen“ Berufen die Hände schmutzig machen könnte. „Dabei trifft das heute gar nicht mehr zu“, so SWA-Chef Werner. Das Unternehmen bemüht sich, die praktische Ausbildung des Nachwuchses im eigenen Betrieb durchzuführen sowie Eltern und Schüler von der Zukunftsfähigkeit dieser Berufe zu überzeugen.

(Quelle: Germany Trade & Invest)