Mehr Futter für Geheimdienste
Das Parlament will die Befugnisse von Nachrichtendiensten erweitern
16. 7. 2015 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: Q.pictures/pixelio.de
Während die Griechenlandkrise auch die tschechische Nachrichtenlandschaft beherrschte, hat das Abgeordnetenhaus in der vergangenen Woche von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt ein Gesetz verabschiedet, das die Befugnisse der Geheimdienste deutlich erweitert. Für die neue Bestimmung, deren Ziel es laut Regierung ist, Korruption, organisiertes Verbrechen und Terrorismus effektiver zu bekämpfen, stimmte eine klare Mehrheit von 142 der 167 anwesenden Parlamentarier. Das Gesetz sieht unter anderem vor, das Steuer-, Fernmelde- und Bankgeheimnis einzuschränken.
So werden die Nachrichtendienste neuerdings das Recht haben, Informationen von der Generalfinanzdirektion einzufordern, die allen Steuerbehörden vorsteht. Die bisherige Regelung sah lediglich einen Informationsfluss in umgekehrter Richtung vor, also vom Nachrichtendienst zur Steuerbehörde. Auch im Bereich Telekommunikation dürfen die Dienste demnächst mehr Daten abschöpfen. Bisher durften sie nach richterlich genehmigtem Lauschangriff die Inhalte des Gesprächs und die Nummer des Angerufenen in Erfahrung bringen; neuerdings sollen ihnen weiterführende Informationen zur Verfügung stehen.
Die Reaktionen der Mobilfunkanbieter fielen zurückhaltend aus. „Wenn es darum geht, die zu speichernden und zu übergebenden Daten zu erweitern, dann müssen wir erst prüfen, ob das möglich ist und welche Kosten das mit sich bringt“, so O2-Sprecherin Lucie Jungmannová. Ähnlich skeptisch äußerte sich T-Mobile-Sprecherin Martina Kemrová: „Über ähnliche Kompetenzen verfügen bereits die Strafverfolgungsbehörden. Die Beurteilung der Frage, wie sinnvoll nun eine Erweiterung auf die Nachrichtendienste ist, liegt außerhalb unserer Kompetenzen.“
Veränderungen betreffen auch die Banken und den Finanzverkehr. Bisher dürfen Geheimdienste nur dann auf durch das Bankgeheimnis geschützte Informationen zurückgreifen, wenn ein Verdacht auf Finanzierung von Terrorismus vorliegt. Diese Einschränkung soll aufgehoben werden. Darüber hinaus fallen auch Sparkassen und Kreditgenossenschaften in den potentiellen Abschöpfbereich der Dienste. „Der Schutz des Bankgeheimnisses und der Privatsphäre der Kunden hatte für den Bankensektor stets höchste Priorität“, sagte dazu der Chef des tschechischen Bankenverbandes Jan Matoušek und forderte: „Die Notwendigkeit eines richterlichen Beschlusses bei Datenabfragen schützt vor Missbrauch. Dennoch betrachten wir es als angebracht, dass die Regierung in diesem Zusammenhang auch die Kontrolle der Geheimdienste verstärkt.“
Dem neuen Gesetz stimmten neben den Regierungsparteien auch die Kommunisten und die konservativen Bürgerdemokraten zu. Lediglich die konservativ-liberale TOP 09 von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg war mehrheitlich gegen die Gesetzesnovelle. Nun muss noch der Senat den Entwurf billigen. Ein positives Votum gilt als sicher.
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