Meister der Camouflage
Die Gallery of Art Prague zeigt Werke der Pop-Art-Ikone Andy Warhol
10. 7. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: goap
„Der Künstler ist jemand, der Sachen produziert, die keiner haben muss“. Andy Warhol (1928–1987) liebte die Provokation. Mit Sätzen wie diesem hinterfragte er immer wieder das konventionelle Verständnis von Kunst. Indem er triviale Gegenstände der Warenwelt zu seinen Motiven und das Kunstwerk zu einem beliebig reproduzierbaren Massenprodukt machte, nahm er den Künstlern ihren Nimbus als Schöpfer unikater Werke. Warhols Siebdrucke gingen um die Welt. Regelrecht wie am Fließband vervielfältigte er die Porträts von Hollywoodstars, Politikern und Konsumwaren.
Einen Einblick in das seinerzeit bahnbrechende Werk des Künstlers vermittelt ab 13. Juli die Gallery of Art Prague am Altstädter Ring. Die Ausstellung mit dem Titel „I’m OK“ im sogenannten Haus zum Weißen Einhorn (Dům U Bílého jednorožce) zeigt berühmte Siebdrucke wie die Bildnisse von Marilyn Monroe und Mao Zedong oder die Serie mit Campbell’s Suppendosen. Getreu Warhols Ansicht „Ich fände es großartig, wenn mehr Leute mit Siebdruck arbeiten würden, so dass keiner mehr wüsste, ob mein Bild wirklich meines oder das eines anderen wäre“ sind auch Repliken aus Warhols New Yorker Atelier „Factory“ zu sehen. Dort stellten seine Assistenten unzählige Werke im Siebdruckverfahren her. Warhol segnete sie lediglich mit seiner Signatur ab – und adelte sie damit zu Kultobjekten. Zugleich verschwamm dadurch die Grenze zwischen Original und Duplikat. Zahlreiche Raubkopien kursierten, Warhol konnte mitunter selbst nicht mehr ausmachen, welche Werke eigentlich von ihm stammten und welche nicht.
Ein besonderes Stück erwartet experimentierfreudige Besucher der Galerie: An einem Siebdrucktisch darf man sich selbst an der Warholschen Technik versuchen.
Unter den Exponaten befindet sich auch Warhols einzigartige Sammlung an Platten-Covern. Ab Ende der vierziger Jahre bis zu seinem Tod gestaltete der Künstler Plattenhüllen für die verschiedensten Interpreten wie zum Beispiel Aretha Franklin, „The Smiths“ oder „Rockbird“. Die wohl berühmteste Banane der Welt entstand 1967, sie ziert das Debütalbum der Gruppe „The Velvet Underground“, das auch von Warhol selbst produziert wurde. Nicht weniger bekannt wurde das provozierende Titelbild für das Album „Sticky Fingers“ von „The Rolling Stones“. Im Haus zum Weißen Einhorn sind 40 seiner insgesamt 50 Platten-Cover ausgestellt.
In komprimierter Form will die Gallery of Art Prague mit ihrer Schau einen Überblick über das schillernde Werk eines Künstlers geben, der schon zu Lebzeiten als Legende galt. Warhol war ein Meister der Selbstinszenierung. Indem sich der Sohn slowakischer Einwanderer beispielsweise in einer seiner Ausstellungen selbst zum Exponat machte, verwischte er die Grenze zwischen Künstler und Kunstwerk. Warhol porträtierte jeden, der bereit war, eine fünfstellige Summe zu zahlen – den autonomen Künstler deutete er dadurch zu einer Dienstleistung um.
Kunstkritiker schwanken bis heute, ob Warhol mit seinen Arbeiten einer oberflächlichen Konsumgesellschaft den Spiegel vorhalten wollte oder ob er deren Mechanismen einfach erfolgreich für sich nutzte.
I’m OK. Gallery of Art Prague. (Staroměstké náměstí 15, Prag 1 – Altstadt), geöffnet: täglich 10 bis 20 Uhr, Eintritt: 170 CZK (erm. 120 CZK), 13. Juli bis 31. Dezember, www.goap.cz
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