Millionengeschäft für die Hundemafia

Millionengeschäft für die Hundemafia

Der illegale Handel von Welpen aus Tschechien nach Westeuropa boomt. Tierschützer fordern EU-weite Regelung

31. 7. 2013 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Gore Findus

Die Verkehrspolizisten trauten ihren Augen kaum: Als sie morgens um 4.30 Uhr einen Skoda auf der A 70 nahe Werneck in Unterfranken stoppten, blickten ihnen aus dem Kofferraum plötzlich 78 verschüchterte Welpen verschiedener Rassen entgegen.

„Die Hundebabys im Alter von etwa vier bis sechs Wochen waren in sieben Plastikboxen und einem Karton auf engstem Raum eingepfercht“, erläuterte Michael Zimmer, Sprecher des Polizeipräsidiums in Würzburg. Ihr Transport erfolgte unter katastrophalen hygienischen Zuständen und entgegen aller Tierschutzbestimmungen.
Die Beamten alarmierten ein nahes Tierheim, das die vielen Hunde in weiteren Stationen in Bayern und Hessen unterbrachte. Gegen den 55-jährigen tschechischen Fahrer wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Er gab an, dass er die Hunde im Auftrag seines Chefs von Tschechien nach Belgien transportieren und auf einer Hundebörse verkaufen sollte.

Dieser Fund vor wenigen Tagen ist kein Einzelfall. Vielmehr hat sich der Schmuggel von kleinen Hunden zu einem skrupellosen Geschäft mit hohen Renditen entwickelt. „25 Euro bezahlt die Hundemafia für einen Welpen, verkauft werden sie um 500 bis 1.000 Euro“, schreibt die Journalistin Maggie Entenfellner im Vorwort des Anfang 2013 erschienenen Buches „Die Welpenmafia“.

Bei solchen illegalen Welpentransporten bietet sich Polizisten stets das gleiche Bild: viel zu enge Käfige, vollgepfercht mit winselnden Welpen, die kaum Luft zum Atmen bekommen und oft über mehrere Tage durch halb Europa gebracht werden. „Tote Tiere sind für die Händler kein Problem“, so Entenfellner. Solche Ausfälle seien durchaus einkalkuliert, denn die Gewinne bleiben trotzdem schwindelerregend hoch. Sehr oft kommen die Welpen aus Tschechien. Nicht selten werden sie in Westeuropa als Rassehunde teuer verkauft.

Immer häufiger Schmuggel
Weil das Geschäft boomt, kommt die Autobahnpolizei in Bayern dem Hundeschmuggel gerade in jüngster Zeit verstärkt auf die Spur. So entdeckten Fahnder Mitte März auf der A6 nahe Pleystein (Oberpfalz) 30 Welpen in einem Transporter. Die 22 französischen und englischen Bulldoggen sowie acht Spitz-Welpen waren zum Teil stark geschwächt, dehydriert und verkotet.

Ein 30-jähriger Rumäne und seine 26-jährige französische Freundin gaben an, die Tiere in Tschechien gekauft zu haben und nach Frankreich bringen zu wollen. Sie hatten keinerlei Impfzeugnisse oder Heimtierausweise, die sie für die Einfuhr benötigen.

Schon im September 2009 sprengte die Polizei im Untermaingebiet einen illegalen Hundehändler-Ring aus Polen und Tschechien. Schlagzeilen machte auch eine Routinekontrolle im September 2012, als im Grenzbereich zu Tschechien elf Hundewelpen ohne Chip, Papiere oder Impfpässe aufgespürt wurden.

Im Februar letzten Jahres fand die Polizei Nürnberg gleich 92 reichlich verwahrloste Rassewelpen in einem Lastwagen. Die jungen Hunde waren ohne Futter und Wasser in winzige Transportboxen eingezwängt und sollten aus Osteuropa mit zum Teil gefälschten Papieren in die Niederlande transportiert werden. Wie fast immer waren die Hunde­babys viel zu jung und krank, einige schwebten in Lebensgefahr.

Tierschützer gehen davon aus, dass jährlich Tausende von Welpen durch kriminelle Händler von Ost- nach Westeuropa gebracht und regelrecht „verscherbelt“ werden. Besonders auch in Deutschland. Die hohe Nachfrage nutzen „Hundeproduzenten“ in Tschechien, aber auch in Polen oder Ungarn gewissenlos aus.

Diese Züchter betreiben zu Hause enge, finstere und schmutzige Verschläge als „Massenzuchtanlagen“, in denen Rassehündinnen kaum Wasser und Futter bekommen. Sie werden nach Angaben von Tierorganisationen quasi wie „Gebärmaschinen“ gehalten und müssen Welpen wie am Fließband produzieren. Dabei gelte das Motto: Je jünger der Hund, desto lukrativer das Geschäft. Deshalb würden Neugeborene viel zu früh von ihren Muttertieren getrennt und erhielten dadurch keinerlei sozialen Kontakt und Zuneigung. Impfungen stehen meist nur auf dem Papier.

Oft  schon nach fünf Wochen werden die jungen Hunde jenseits der Grenze zu Schnäppchenpreisen und unter falschen Angaben angeboten. Wobei Tierschützer darauf hinweisen, dass die Preise osteuropäischer Händler trotz deren riesiger Verdienstspannen immer noch deutlich unter denen von seriösen heimischen Züchtern liegen.
Als Handelsorte dienen ihnen Märkte, Auto-Parkplätze oder das Internet. Stress durch den Transport führt bei vielen Tieren zu schweren Darmerkrankungen. Nicht wenige sterben bereits kurz nach dem Kauf. Auch wenn sie überleben, müssen neue Besitzer anschließend mit hohen Tierarztkosten rechnen, die schnell den Kaufpreis für einen „Billig-Welpen“ übersteigen. Zudem führt die frühe Trennung von Mutter und Geschwistern bei den sozialen Tieren oft ein Leben lang zu schweren Verhaltensstörungen und Aggressionen.

Werden Transporte durch die Polizei unterbunden, können die Tiere nicht weitervermittelt werden, solange der Besitzer das Eigentum nicht abgetreten und alle Rechnungen bezahlt hat.

Im Fall von Werneck verzichtete der Tscheche nach anfänglichem Zögern auf sein Rückgaberecht, um sich weiteren Ärger mit den Behörden und zusätzliche Kosten zu ersparen, obwohl er damit gleichsam seine Schuld eingestanden hat.

Schon seit der Grenzöffnung
Die Straftat ist keine neue Erscheinung. Schon kurz nach der Grenzöffnung begann ein schwunghafter Welpenhandel. Aus den ehemaligen Ostblockländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Rumänien kamen etliche „Straßenhändler“ und verkauften kleine Hunde vor Ort. Besonders pervers wurde der illegale Handel zur Jahreswende 2008–2009, als nach Informationen des Salzburger Tierschutzvereins  „Animal Rescue“ in Tschechien, Ungarn und der Slowakei überdurchschnittlich viele Chihuahuas gezüchtet wurden.

Auslöser dafür war der Hollywood-Film „Beverly Hills Chihuahua“, der im Frühjahr 2009 in den Kinos anlief und die Beliebtheit dieser Hunde förderte. Tatsächlich stoppte die Polizei in Salzburg einen ersten Chihuahua-Transport aus dem Osten, noch bevor die Werbung für den Film richtig anlief.

Und der Trend ist ungebrochen. Im Oktober 2012 musste sich eine 27-Jährige aus dem schwäbischen Maulbronn dafür verantworten, erneut eine Chihuahua-Hündin aus Tschechien verkauft zu haben, die von Kolibakterien befallen und stark verkeimt war. Schon bis August 2011 hatte sie Welpen in Internet-Anzeigen zum Verkauf angeboten und in sechs Monaten mehr als 50 Chihuahuas aus Tschechien zum Stückpreis von rund 500 Euro verkauft.

 Die internationale Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ in Wien setzt sich seit mehr als 25 Jahren für den Schutz von Tieren ein. Als Sofortmaßnahme gegen den schwunghaften Handel fordert sie verschärfte Kontrollen von Zucht, Transport und Handel von Hundewelpen in allen EU-Mitgliedsstaaten. Prinzipiell will sie erreichen, dass EU-weit eine gesetzliche Verpflichtung zur Registrierung, Impfung und Kennzeichnung aller Hunde mit einem Microchip eingeführt werden. So könnten Halter festgestellt und Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier ausgeschaltet werden.