Miloš Gnadenlos
Präsident Zeman lehnte in seiner Amtszeit über 1.000 Begnadigungsgesuche ab
29. 10. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: APZ
Ein wegen Steuerhinterziehung zu sechs Jahren Haft verurteilter Tscheche muss hinter Gittern bleiben, und das obwohl er unter Herzproblemen leidet, die ihm das Atmen und Laufen erschweren. Das Justizministerium hatte ein Einsehen mit dem Gefängnisinsassen und beantragte in der vorigen Woche beim Staatspräsidenten dessen Freilassung – ohne Erfolg. Denn Miloš Zeman ist auch in diesem Fall seiner Linie treu geblieben und zeigt weiterhin keine Gnade für verurteilte Straftäter. Seit Anfang 2013 leitete das Justizministerium lediglich drei Gnadengesuche an Zeman weiter. In allen Fällen war eine unabhängige Untersuchungskommission zu dem Schluss gekommen, dass die Haftstrafen erlassen werden sollten.
Doch allein das Staatsoberhaupt kann in Tschechien Gnade vor Recht ergehen lassen. Laut Angaben des Justizministeriums hat Zeman während seiner Amtszeit bereits über 1.098 Begnadigungsgesuche befunden. Bei keinem einzigen zeigte der Präsident Erbarmen. „Der aktuelle Fall zeigt mir, dass er im Grunde genommen überhaupt keine Begnadigungen aussprechen will“, sagte Justizministerin Helena Válková (parteilos) gegenüber der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“. Dass es keinen Anspruch auf Milde gibt, weiß auch die tschechische Ombudsfrau Anna Šabatová: „Begnadigungen zu erteilen, ist ein Recht und niemals verpflichtend. Der Präsident überschreitet in keinster Weise seine Befugnisse, im Gegenteil.“
Die frühere Vize-Präsidentin des Verfassungsgerichts und heutige Senatorin Eliška Wagnerová (parteilos) äußert hingegen Kritik an Zemans Vorgehen. „Man sollte das Privileg nicht aufgeben, Begnadigungen zu erteilen. Denn wenn es überflüssig wäre, würde es nicht in der Verfassung stehen. Es ist ein gewisses Korrektiv im Justizwesen, das zum Einsatz kommen sollte, wenn das Recht auf einem anderen Wege nicht durchgesetzt werden kann“, erklärte die Fraktionschefin der Grünen und Unabhängigen im Senat gegenüber der „Mladá fronta Dnes“. Im Frühjahr 2013 hatte Wagnerová Zemans Amtsvorgänger Václav Klaus gemeinsam mit 37 anderen Senatoren wegen Hochverrat angeklagt, unter anderem wegen einer von ihm erlassenen Massenamnestie. Rund 7.500 Gefangene kamen damals durch den „Gnadenakt zum Jahrestag der Staatsgründung“ auf freien Fuß, unter anderem auch frühere Weggefährten von Klaus, die wegen Kreditbetrug und Steuerdelikten verurteilt wurden.
Der Gang vor das Verfassungsgericht endete für die Senatoren damals mit einer Niederlage. Man hätte den Präsidenten bei einer Verurteilung ausschließlich seines Amtes entheben können, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Klaus seinen Platz auf dem Hradschin bereits für Miloš Zeman geräumt. Bei einer Vorlesung im nordböhmischen Ústí nad Labem (Aussig) sagte Klaus vor kurzem, dass sein Nachfolger den ihm von der Verfassung gegebenen Aufgaben nicht nachkomme. „Es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob ich die Anträge eingehend studiere und danach sage, das Gnadengesuch ist abgelehnt, oder ob ich von Vornherein sage, dass ich keine Begnadigungen erteilen
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“