Mit anderen Augen
Vizepremier Bělobrádek will das Land innovativer machen. Helfen soll eine neue Behörde
4. 6. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Hagegage
Eine neue Minibehörde schwebt Pavel Bělobrádek vor. Der Chef der christdemokratischen KDU-ČSL ist Vizevorsitzender der Regierung und zuständig für Wissenschaft, Forschung und Innovationen. Ein eigenes Ressort für diese Bereiche existiert allerdings nicht. Sie sind zum Teil beim Ministerium für Schulwesen, Jugend und Sport angesiedelt, fallen jedoch auch unter die Zuständigkeiten anderer Behörden.
Außerdem gibt es einen „Rat für Forschung, Entwicklung und Wissenschaft“, an dessen Spitze Bělobrádek steht und der mit den zuständigen Ministerien sowie anderen staatlichen Organisationen zusammenarbeitet. Ein unübersichtliches Geflecht, meint der Vizepremier. „Es fehlt eine zentrale Autorität, welche die Bereiche Bildung und Industrie zusammenführt“, sagte er am Donnerstag vergangener Woche bei einem Diskussionsforum in Prag.
Eingeladen hatten das Regierungsamt und die Konrad-Adenauer-Stiftung mit einem sehr ambitionierten Ziel: Das Forum sollte eine Antwort auf die Frage finden, wie die tschechische Wirtschaft „in eine intelligente und innovative Wirtschaft“ umgewandelt werden könne.
Denn die Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung sind in den vergangenen zehn Jahren zwar ständig angestiegen, auch kommen auf 1.000 Beschäftigte immer mehr Wissenschaftler. Dennoch „hapert“ es im Bereich Forschung und Entwicklung ein wenig, wie Bělobrádek es formulierte. Junge Firmengründer geben schnell wieder auf, staatliche oder private Gelder, die in die Entwicklung neuer Ideen und Produkte investiert werden, bringen nicht immer die gewünschten Ergebnisse, EU-Mittel werden oft nicht effizient genutzt und es fehlt an Fachkräften.
Kleines Zukunftsministerium
Diese Probleme sieht nicht nur der Vizepremier. Auch Unternehmer beklagen sich über die Rahmenbedingungen. So hat zum Beispiel die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) „Forschung und Entwicklung“ zu ihrem Jahresthema für 2014 gemacht, um sich für die „Attraktivität des Innovationsstandorts Tschechien“ einzusetzen. Demnächst will sie dazu einen offenen Brief an die Regierung präsentieren.
Verbesserungsvorschläge hat aber auch Bělobrádek selbst. Die neue Behörde, die beim Diskussionsforum am Donnerstag in Anlehnung an den zweiten prominenten Redner, den ehemaligen deutschen „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers (CDU), als ein „kleines Zukunftsministerium“ bezeichnet wurde, sollte Bělobrádek zufolge nur ein Baustein sein – wenn auch ein sehr effektiver: „40 Leute sollten ausreichen, die Kosten wären gering und man würde einen großen Erfolg erzielen“, erläuterte er seine Vorstellungen.
Daneben müsse in Tschechien aber auch eine „andere Atmosphäre“ geschaffen werden, forderte der Vizevorsitzende der Regierung. Hierzulande gelte ein Wissenschaftler oder ein Unternehmer, der einmal mit einer Idee scheitert, gleich für alle Zeiten als erfolglos, es mangele an einer gesunden Risikobereitschaft und der nötigen Ausdauer. Nicht zuletzt fehlten in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auch qualifizierte Nachwuchskräfte, „weil junge Menschen in Tschechien wie auch in anderen europäischen Ländern das studieren, was ihnen Spaß macht, während sie in Asien das studieren, was ihnen später die am besten bezahlten Jobs bringt“.
Ein Thema, das bei Diskussionen in tschechischen Unternehmerkreisen häufig anklingt und für das es aus der Sicht mancher Firmenchefs eine einfache Lösung gäbe: eine Quote, die dafür sorgen sollte, dass genügend junge Menschen ein mathematisch-naturwissenschaftliches Fach studieren.
Der ehemalige Zukunftsminister Rüttgers, von dessen Auftritt in Prag sich einige im Publikum einen Einblick in das deutsche Erfolgsgeheimnis erhofft hatten, warnte allerdings vor einer solchen Lösung. Hätten sich mehr Menschen Gedanken über philosophische Fragen gemacht, so der Politiker, wäre es wohl nicht zur Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen. Statt Jugendlichen vorzuschreiben, welchen Beruf sie wählen sollen, sei es besser den internationalen Austausch zu fördern, denn wer ein Semester im Ausland verbringe, sehe die Welt danach mit anderen Augen.
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