Mit Denkmälern zur nationalen Identität
Eine Ausstellung zeigt die Geschichte und Vielfalt der Prager Denkmäler aus dem 19. Jahrhundert
31. 10. 2013 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: NOEMI Arts&Media
Der Gang durch die Straßen und über die Plätze von Prag, der Besuch seiner Parks und Gärten bringt uns unweigerlich mit einer Vielzahl von Denkmälern in Berührung. Oft nehmen wir sie nicht einmal mehr richtig wahr, vielfach wissen wir nicht, an wen oder was diese Monumente erinnern sollen. Und noch seltener sind uns die Künstler bekannt, die sie geschaffen haben. Oder die häufig spannungsreichen Geschichten, die sich um ihre Entstehung und Aufstellung ranken. Ende September 2013 eröffnete im altstädtischen Clam-Gallas-Palais eine Ausstellung, die uns zu einem tieferen Verständnis der Denkmäler, denen wir auf Schritt und Tritt begegnen, sowie der mit ihnen aufs Engste verknüpften böhmischen Geschichte verhilft: „Metamorphosen der Politik. Prager Denkmäler des 19. Jahrhunderts“. Ausrichter sind das Archiv der Hauptstadt Prag, die Nationalgalerie und die Agentur „NOEMI Arts&Media“.
Wie in fast allen europäischen Ländern sah das 19. Jahrhundert auch in Böhmen eine Welle von Ideen, Entwürfen und schließlich mehr oder weniger feierlichen Enthüllungen von Denkmälern. Wesentlicher Antrieb dieser Entwicklung war der sich allenthalben verstärkende Nationalismus; die Völker verlangten überall in Europa danach, ihre Geschichte und Helden in ehernen oder steinernen Monumenten verewigt zu sehen. Das galt umso mehr für ein Volk, das sich Ende des 18. Jahrhunderts auf den Weg der nationalen Erweckung begeben hatte und das sich seit dem Scheitern der Revolution von 1848 danach sehnte, seine Eigenart, Größe und Bedeutung sich und der Welt unübersehbar vor Augen zu führen.
Die Ausstellung bietet mit ihren rund 250 Exponaten weit mehr als einen schlichten Überblick über öffentliche Denkmäler, die vor allem in Prag, aber auch in anderen Orten Tschechiens seit etwa 1840 bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs errichtet wurden. Darüber hinaus zeigt sie anschaulich die allmähliche Aufladung der Monumente mit (zunehmend vaterländischen) politischen Botschaften. Die Schau erzählt davon, wie sich der Anspruch auf Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung in einer schrittweisen Verengung der Auftragsvergabe an tschechische Bildhauer und Gießereien durchsetzte. Und sie führt uns vor Augen, wie sich die künstlerische Sprache der tschechischen Bildhauer allmählich von deutschen und anderen europäischen Vorbildern löste und eine eigene „Handschrift“ hervorbrachte. Überaus lehrreich ist es zu sehen, worauf wir draußen auf den Plätzen und in den Parks verzichten müssen. Nämlich die Entwürfe, die in den Wettbewerben zur Auswahl standen, jedoch nicht zur Ausführung kamen. Besonders interessant ist in dieser Hinsicht ein Blick auf das Modell der Reiterstatue des heiligen Wenzel von Bohuslav Schnirch, dem seinerzeit die Öffentlichkeit nahezu einhellig den Vorzug vor dem von Josef Václav Myslbek geschaffenen und heute auf dem Wenzelsplatz weithin sichtbaren Denkmal gab. Schnirch akzentuiert den sein Volk segnenden Heiligen, Myslbeks Wenzel, ohne Krone und Heiligenschein, verkörpert eine politisch und religiös neutrale Staatlichkeit.
Nach der Gründung der Tschechoslowakei und in den Mühen der Ebene eigener Staatlichkeit, sah man die Denkmäler nüchterner. František Xaver Šalda, der große Literatur- und Kunstkritiker der Zwischenkriegszeit, ließ in seinem berühmten Essay „Die Denkmalspest“ („Mor pomníkový“) von 1929 nur das Wenzelsdenkmal gelten. Über die Denkmäler von Jan Hus und František Palacký ergoss er seinen Spott: „…ins Leere aufschäumend, gestaltlos, (…) erinnernd an gefährliche Zuckerbäckerprodukte“, an denen sich „Konditorlehrlinge, die kompliziertere Torten herstellen, inspirieren könnten.“
Zur Ausstellung gibt es einen vorzüglich gestalteten Katalog mit englischem und deutschem Anhang.
Metamorfózy politiky. Pražské pomníky 19. století. Clam-Gallas-Palais, Husova 20, Prag 1 (Altstadt), geöffnet: täglich außer montags 10–18 Uhr, Eintritt: 80 CZK (ermäßigt 40 CZK), bis 5. Januar 2014
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