Mit Facebook gegen den Islam
Initiative „Wir wollen keinen Islam in Tschechien“ will Unterschriftenliste beim Kulturministerium einreichen
3. 9. 2014 - Text: Daniel NagelstutzText: Daniel Nagelstutz; Foto: APZ
Freundlich geben Sie dem Passanten den Zettel mit der Petition. Auf Nachfrage, wofür man zur Unterschrift aufgefordert werde, heißt es schlicht: „Zur Verteidigung unserer westlichen Werte.“ Am Stand der Unterschriftenaktion prangt das rot durchgestrichene Bild einer Moschee samt Minarett. Das einzige Minarett, das es in Tschechien gibt, befindet sich im Schlosspark von Lednice. Der schlanke Turm ist jedoch nicht Bestandteil eines islamischen Gotteshauses – er wurde als Aussichtsturm zur Verschönerung der südböhmischen Parkanlage Ende des 18. Jahrhunderts errichtet.
Die Facebook-Initiative „Islám v České republice nechceme“ („Wir wollen keinen Islam in Tschechien“, IVCRN) hat bis 2. September Unterschriften für die Aberkennung des Islam als Religionsgemeinschaft gesammelt. Mit über 10.000 Unterschriften hat sie die gesetzlich erforderliche Anzahl eingeholt, um damit eine Anfrage des Kulturministeriums im Parlament zu erzwingen. Dadurch erhofft sich die Initiative eine politische Debatte über die rechtliche Stellung der islamischen Gemeinschaft.
Seit 2004 ist der Islam in Tschechien unter dem Namen „Zentrum muslimischer Gemeinschaften“ als Glaubensgemeinschaft eingetragen. Dies ermöglicht es Muslimen, an öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu geben und als Seelsorger muslimische Strafgefangene zu betreuen. Zudem ist der Beruf des Imam gesetzlich anerkannt. Das möchte IVCRN mit ihrer Unterschriftenaktion rückgängig machen. Solange die muslimische Gemeinschaft ihre Rechte in der Öffentlichkeit wahrnehme, bestehe laut IVCRN die Gefahr einer Islamisierung Tschechiens. Gemäß den Zahlen der letzten Volkszählung aus dem Jahr 2011 bekennen sich 1.442 Personen zum „Zentrum der muslimischen Gemeinschaften“. Der Vorsitzende der muslimischen Gemeinde in Prag Vladimír Sáňka schätzt die tatsächliche Zahl der hierzulande lebenden Muslime jedoch auf 10.000 bis 15.000.
Knapp 74.000 „Gefällt mir“-Angaben hat IVCRN auf ihrer Facebook-Seite erhalten. Damit zählt die Initiative fast sechsmal so viele Anhänger wie es Muslime in Tschechien gibt. Die Facebook-Gruppe zeigt vor allem Fotos mit islamkritischen Kommentaren, auf denen Frauen in Burkas und bewaffnete Mitglieder der Miliz Islamischer Staat zu sehen sind. „Der Islam wird fast nur in Zusammenhang mit der Unterdrückung von Frauen, mit Terroranschlägen oder Geiselnahmen thematisiert“, kritisiert Sáňka. „Viele Tschechen wissen nur wenig über den muslimischen Glauben und bilden sich ihre Meinung über diese Religionsgemeinschaft ausschließlich über die Medien.“
Auf ihrer Homepage bekennt IVCRN offen, dass sie generell eine Überfremdung durch Ausländer befürchtet. Unterschriftenlisten lagen in Geschäften, Restaurants und Kneipen aus. Gegenüber der „Prager Zeitung“ wollte sich IVCRN nicht zu ihrer Petition äußern.
Sáňka sieht einer parlamentarischen Debatte und möglichen Neuabstimmung zum rechtlichen Status der muslimischen Gemeinden gelassen entgegen. Sie erfüllten alle Voraussetzungen einer Anerkennung und seien als Religionsgemeinschaft mit dem Gesetz nie in Konflikt geraten. Am 8. September wird IVCRN die Unterschriften an das Kulturministerium übergeben.
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