Mit ganzer Seele auf der Bühne
Eduard Vojan war ein Wegbereiter des modernen tschechischen Theaters
13. 10. 2016 - Text: Friedrich Goedeking, Foto: Aktron/CC BY 3.0
Noch heute gilt Eduard Vojan als einer der bedeutendsten tschechischen Schauspieler. Als Sohn eines Bankangestellten wurde er 1853 auf der Prager Kleinseite geboren. Nach dem Wunsch des Vaters sollte Eduard Berufsoffizier in der österreichischen Armee werden. Doch der Sohn kannte nur ein Ziel: die Bühne. Mit zwölf Jahren besuchte er heimlich Theatervorstellungen, mit 16 wurde er Mitglied im Amateurensemble Thalia auf der Kleinseite. Der Vater zwang ihn daraufhin, die Realschule zu verlassen und eine Lehre als Lithograph zu beginnen. Der Sohn verließ deswegen sein Elternhaus.
In den folgenden Jahren schloss sich Vojan zunächst kleineren Theatergruppen an. Sein großer Traum erfüllte sich 1888, als er eine Anstellung im Prager Nationaltheater erhielt. Doch er war zunächst enttäuscht. Der Spielplan entsprach den Wünschen eines konservativen Publikums, das neben der Operette vor allem seichte Lustspiele und Komödien liebte. Vojan trat nur in kleinen Nebenrollen auf.
Erst als ab 1894 Jaroslav Kvapil Regie führte, wurden die Inszenierungen anspruchsvoller. Vojan spielte in Bühnenwerken von Ibsen, Tschechow und Shakespeare sowie in Goethes Faust die Hauptrollen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1920 galt Vojan als der herausragende Schauspieler am Nationaltheater. Insgesamt war er dort in 309 Rollen in 278 Theaterstücken zu sehen. Berühmt wurde er vor allem durch seine Auftritte als Othello, Hamlet, Macbeth und König Lear.
Vojan war der Meinung, dass sich der Schauspieler ganz mit der seelischen Situation der dramatischen Figur identifizieren müsse. Erst dann könne das Publikum ein Stück als echt und authentisch erleben. Er selbst bestach durch sein Vermögen, sich in die Psychologie der Personen einzufühlen und sie auf der Bühne darzustellen und wurde damit zum Wegbereiter des modernen tschechischen Theaters.
Als Kvapil 1916 zum 300. Todestag von William Shakespeare einen monumentalen Zyklus mit 17 Werken des Dichters auf die Bühne brachte, übernahm Vojan die Hauptrollen. Es gab zwar Versuche, die Würdigung des englischen Autors mitten im Ersten Weltkrieg zu verhindern. Der Intendant konnte den Vorwurf jedoch mit dem Hinweis entkräften, dass auch in Weimar eine ähnliche Veranstaltung bewilligt worden sei. Vojan und Kvapil wollten mit dem Zyklus auch die Einheit der europäischen Kultur in Zeiten des Krieges bekräftigen.
Für seine Verdienste war Vojan bereits vor dem Krieg zum Ehrenbürger der Stadt Prag ernannt worden. Außerdem erhielt er den Kaiserlich-Österreichischen Franz-Joseph-Orden. Drei Tage nach seinem Tod am 31. Mai 1920 begleiteten Tausende Prager seinen Leichnam vom Nationaltheater zu den Olschaner Friedhöfen – darunter auch der damalige Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk. Eine weitere Ehre wurde dem Schauspieler 1954 postum zuteil. Damals wurde der Vojan-Park auf der Prager Kleinseite nach ihm benannt. Noch heute trägt die Anlage zwischen dem Waldstein-Garten und dem Kampa-Park seinen Namen.
„Wie 1938“
30 Jahre PZ