Mit Gespenstern zu Gespenstern

Mit Gespenstern zu Gespenstern

Locker-amüsante Geister-Touren entführen in die Sagenwelt des alten Prag

7. 11. 2012 - Text: Yvette PolášekText: Yvette Polášek; Foto: ghostmuseum.cz

Während langsam die Dämmerung über Prag hereinbricht, wartet eine kleine Gruppe im Park neben der U-Bahn-Station Malostranská. Unsicher, nach wem oder was sie eigentlich Ausschau halten soll. Die ungenaue Beschreibung lautete bei der Buchung nur: „Treffen Sie um 18 Uhr im Park vor der Wallenstein-Reithalle ein Gespenst.“

Langsam nähert sich der rund zehnköpfigen Gruppe eine großgewachsene, blasse Frau. Ihre roten, langen Haare sind zu einem Zopf geflochten, ihre Röcke bedecken die Knöchel und ihre Tracht erinnert an eine Magd aus dem vorigen Jahrhundert. Ihre Gesichtsfarbe ist genauso blass wie das Weiß ihres gehäkelten Schultertuchs. Sie ist groß, überragt die wartende Gruppe, den größten anwesenden Mann um rund einen Kopf. Wer sie ist, will sie der neugierigen Gruppe noch nicht verraten. Stattdessen beginnt sie mit fester Stimme von den Gespenstern Prags und ihren Schicksalen zu erzählen, während sie die aufmerksame Gruppe über die Kleinseite führt. Von einem jungen Mann, dessen Liebe über den Tod hinaus gereicht und der in der Klárov-Straße auch noch nach seinem Ableben die Liebste zum Traualtar geführt hat.

Auf dem Wallenstein-Platz verrät sie, wie der Nachtwächter um seinen Kopf gekommen ist und vor dem Abgeordnetenhaus in der Sněmovní-Straße weiht sie ihre Zuhörer in das tragische Schicksal der nackten Cäcilie ein. Immer mit dem Hinweis, wie man die einzelnen hier spukenden Prager Gespenster von ihrem Schicksal erlösen könnte.

Während inzwischen die Nacht hereingebrochen ist, setzt die kleine Gruppe ihren Weg durch die Thunovská-Straße bergauf Richtung Prager Burg fort. Begleitet von den tragischen Schicksalen schöner Frauen, die sich mit dem Teufel eingelassen haben; immer den Gedanken im Hinterkopf, wer denn nun ihre „Fremdenführerin“ durch das nächtliche Prag wirklich sei. Plötzlich tritt aus einer Wandnische auf der Schlossstiege ein ebenso blasser Mann mit schwarzem Seidenumhang und einer langen Fanfare in der Hand hervor. Mit italienischem Akzent stellt er sich als Fabrizio vor und erzählt ohne Umschweife, mit humorvollen Einlagen und mit ausladender Gestik, warum er hier in Prag gehängt worden ist. Finito – capite!

Dann folgt die Gruppe der unbekannten, blassen Frau weiter über den Hradschiner Platz, vorbei am Schwarzenberg-Palais bis zur Neuen Welt und dem Loreto-Platz mit seinem beeindruckenden Czernin-Palais bis hin zum Jánsky-Hügel. Immer wieder mit Unterbrechungen, um fasziniert dem einen oder anderen erzählfreudigen Gespenst zu lauschen, das ihren Weg kreuzt.

Mysteriöse Museen
Ein Märchen? Ein böser Traum? Weit gefehlt – eine der zahlreichen interessanten Führungen, die vom Museum der Prager Legenden und Gespenster beinahe allabendlich angeboten werden. Initiiert wurde dieser lebendige Einstieg in die Geschichte des alten Prag vom gebürtigen Prager Filip Jan Zvolský, der sich damit einen Lebenstraum erfüllt hat. „Ich bin auf der Kleinseite geboren, und so gehörten Legenden und Gespenster seit jeher zu meinem Leben. Der Gedanke, dass ich in Prag auf den Spuren von Gespenstern wandeln könnte, kam mir aber in Krummau während einer Führung über dortige Legenden.“ Der erste Gespenster-Spaziergang führte vor vier Jahren von der Kleinseite zur Prager Burg. Inzwischen ist das Spektrum gewachsen. Angeboten werden unter anderem Führungen durch die Altstadt und Josefstadt, von der Neustadt bis zum Vyšehrad, auf den Spuren des Heiligen Wenzel und der Heiligen Agnes, zu den unbekannten Seiten der Karlsbrücke, mit einem Wassermann besucht man andere Wassermänner und mit dem Teufel geht es zum Höllentor. Seit kurzem kann man auch auf den Spuren der Erotik in den Prager Sagen wandeln. Geführt wird in tschechischer Sprache, doch stehen nach vorhergehender Reservierung auch gespenstische Guides mit deutschen, englischen und russischen Sprachkenntnissen zur Verfügung.

Parallel zu den Führungen eröffnete Filip Jan Zvolský gemeinsam mit seiner Frau – nach einjähriger Standortsuche und dreimonatiger Arbeit an den Ausstellungsstücken – vor vier Jahren in der Mostecká-Straße, die die Karlsbrücke mit dem Kleinseitner Platz verbindet, das kleine „Museum der Prager Legenden und Gespenster“. Während sich die Besucher im Erdgeschoss mit Hilfe von Illustrationen und Exponaten mit dem umfangreichen Sagenschatz der Moldau-Metropole vertraut machen können, tauchen sie im Untergeschoss in eine Geistergasse ein, die sie in die mitternächtliche Atmosphäre des alten Prag versetzt. Doch keine Angst, hier bewegt sich nichts. Nichts erschreckt die Besucher unerwartet.

Wen die mystische Welt der Alchemie mit ihren Elixieren, der Golderzeugung und dem Stein der Weisen schon immer magisch angezogen hat und wer mehr über das Wirken von John Dee, Edward Kelly und Tycho Brahe in Prag erfahren will, ist im Alchemisten-Museum gut aufgehoben. Die seit rund einem Jahr geöffnete interaktive Ausstellung, die in die geheimnisvolle Welt der Alchemisten am Hofe Rudolfs II. entführt, befindet sich in jenem Haus, wo Edward Kelly sein geheimes Laboratorium hatte. Zu den Höhepunkten dieses unheimlichen Besuchs gehören ein Blick in die Räume des Hauses des Dr. Faust und der Aufstieg über die älteste Wendeltreppe Prags in den Kelly-Turm.

Übrigens für alle, die nicht an Übersinnliches glauben: Die blasse, großgewachsene Frau, die die Gruppe in Empfang genommen hatte, heißt Anna Hrdlová, ist auf der Kleinseite als das größte Klatschweib verschrien und lebte zu Zeiten des bekannten Alchemisten Edward Kelly. Unmöglich? Dann nehmen Sie sich Zeit und besuchen Sie mit ihr die Prager Gespenster.

ADRESSEN, PREISE & PROGRAMM

Muzeum Mysteriae Pragensis, Mostecká 18, Prag 1 (Kleinseite), geöffnet: täglich von 10 bis 22 Uhr, Eintritt: Erwachsene 100 CZK, Kinder bis 6 Jahre frei, E-Mail: info@ghostmuseum.cz, www.ghostmuseum.cz

Alchemisten-Museum (Muzeum alchymistů a mágů), Jánský vršek 8, Prag 1 (Kleinseite), geöffnet: täglich von 10 bis 20 Uhr, Eintritt: 140 CZK, E-Mail: muzeumalchymistu@email.cz, www.muzeumalchymistu.cz

Ein Kombiticket für beide Museen kostet 200 Kronen.

Gespenster-Touren im November:
09.11. ab 21.30 Uhr » Erotik in den Prager Legenden
10.11. ab 15.30 Uhr » Die Karlsbrücke von drei Seiten
10.11. ab 19.00 Uhr » Mysteria Pragensia
16.11. ab 17.00 Uhr » Mit dem Teufel zum Höllentor
17.11. ab 18.00 Uhr » Mysteriöse Durchgänge in der Altstadt
21.11. ab 17.00 Uhr » Die Karlsbrücke von drei Seiten
23.11. ab 18.00 Uhr » Mysteria Pragensia
29.11. ab 18.00 Uhr » Mit Gespenstern zu Gespenstern

Informationen zu Anmeldung und Treffpunkt unter www.ghostmuseum.cz